© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

„Den stabilen Kern retten“
Wirtschaftsliteratur: Joachim Starbatty weist nach, daß die Euro-Hilfsmilliarden nur ein riesiges Banken-Rettungsprogramm sind
Jörg Fischer

Wer in Deutschland ein kritisches Buch zur Euro-Krise schreibt, setzt sich der Gefahr aus, als „unsolidarisch“, „europafeindlich“ oder „Rechtspopulist“ abqualifiziert zu werden. Da hilft es nicht, Sozialdemokrat zu sein (Thilo Sarrazin) oder sogar den Euro, bis es wirklich nicht mehr ging, energisch verteidigt zu haben (Hans-Olaf Henkel). Wenn man sogar schon vor seiner Einführung vor den katastrophalen Folgen gewarnt, gegen Verträge sowie Rettungsschirme geklagt hat und politisch aktiv geworden ist, dann wird man in der etablierten Bundespolitik und in den meisten Medien bestenfalls als randständig abqualifiziert.

Damit die Kassandrarufe des Tübinger Ökonomen Joachim Starbatty in seinem neuen Buch über den „Tatort Euro“ vielleicht dennoch breiteres Gehör in der Bundespolitik finden, betonten sein Verleger Christoph Strasser und Michael Wohlgemuth (Gründungsdirektor der Denkfabrik „Open Europe“) im Berliner Haus der Bundespressekonferenz ausdrücklich, daß sie und Starbatty selbstverständlich leidenschaftliche Europäer seien. Auch die Vergangenheit des ursprünglich in der Schweiz gegründeten Europa-Verlages sei respektabel, veröffentlichten dort doch nach 1933 zahlreiche Emigranten ihre Bücher.

Bei der Buchvorstellung in München sekundierte sogar der einst bei Linken gefeierte Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger, der im Vorwort des Buches schreibt: „Europa und der Euro sind zu retten. Dieses Buch plädiert dafür, einen im Kern stabilen Euro zu bewahren und die Länder, die finanziell und wirtschaftlich am Abgrund stehen, zu retten.“

Doch die schonungslose Analyse der sogenannten Euro-Rettung kommt zur Unzeit, sollen doch noch im März die nächsten Milliarden – diesmal für die „Zypern-Hilfe“ – von Bundestag abgenickt werden. „Wer überprüft, wem letztlich die Milliarden aus dem Rettungsschirm zufließen, der erkennt, daß die Regierungen diese Gelder stellvertretend für die Gläubigerbanken in Empfang nehmen. Sie könnten ihre Gläubiger nicht voll befriedigen, wenn ihnen die Euro-Staaten nicht zu Hilfe kämen“, sagt der „Ordoliberale“ (Starbatty über Starbatty). Schon in der Nacht vom 7. auf den 8. Mai 2010, als auf dem Euro-Gipfel über die erste „Griechenland-Hilfe“ beraten wurde, sei „in Wahrheit ein riesiges Banken-Rettungsprogramm auf den Weg gebracht worden“.

Starbatty wegen solcher Aussagen Linkspartei- oder NPD-Jargon zu unterstellen geht nicht – was also tun? Das Manager-Magazin, nicht dafür bekannt, Verständnis für die Nöte des „kleinen Mannes“ zu haben, drückt deshalb beispielsweise auf die soziale Tränendrüse: Wie Hans-Werner Sinn von Münchner Ifo-Institut „ergötzt sich aber auch Starbatty an der populistisch anmutenden Feststellung, gerettet würden ja nicht die Staaten, sondern nur die reichen Gläubiger“. Dann folgt in Bild-Manier die hämische Frage: „Sind es denn nicht die kleinen Sparer und Rentner, die gerettet werden, wenn Austritte aus dem Euro-Raum verhindert und ein Run auf die Gläubigerbanken verhütet werden?“ Sprich: Wer die Euro-Rettung hinterfragt, macht uns alle arm, deshalb weiter so mit Merkel, Steinbrück, Brüderle oder Trittin – Hauptsache keine „Populisten“ à la Wahlalternative 2013 (die Starbatty unterstützt) bekommen Zulauf.

Doch der soziale Marktwirtschaftler Starbatty verlangt ausdrücklich „eine staatliche Garantieerklärung für alle Sparer“ – und er weist vor allem darauf hin, daß sie gerade wegen der „Rettungspolitik“ in Gefahr seien: „Wenn die Sparer für ihre Leistungen weniger als den jährlichen Preisanstieg für den privaten Konsum erhalten, werden sie stillschweigend enteignet.“

Die politische Praxis stand auch im Zentrum der abschließenden Fragerunde bei der Buchvorstellung – etwa nach Starbattys Entgegnung auf die Warnung des Euro-Kritikers Klaus-Peter Willsch (CDU), jede Stimme für die Wahlalternative 2013 führe zum „Ausfransen des bürgerlichen Lagers“ und zur „Machtübernahme der politischen Linken“. Doch Starbatty sieht kaum Unterschiede in der praktischen Euro-Politik zwischen Regierung und Rot-Grün. Auch die FDP sei keine Alternative. Allenfalls wenn sie im Herbst in der Opposition lande, könne er sich bei der FDP-Führung einen Sinneswandel in puncto Euro vorstellen.

 

Prof. Dr. Joachim Starbatty ist seit 1991 Vorsitzender der freiheitlich orientierten „Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft“: www.asm-ev.de

Joachim Starbatty: Tatort Euro – Bürger, schützt das Recht, die Demokratie und euer Vermögen. Europa Verlag, Berlin 2013, 311 Seiten, gebunden, 19,99 Euro

Foto: Starbatty bei Buchvorstellung in Berlin: Das Recht, die Demokratie und die Sparvermögen sind in Gefahr

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen