© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

Das schwere Erbe des Comandante
Venezuela: Nach dem Tod von Präsident Hugo Chávez soll dessen Kronprinz Maduro für Kontinuität sorgen
Michael Ludwig

Nach dem Krebstod des Präsidenten Hugo Chávez werden nicht nur in Venezuela, sondern in ganz Lateinamerika die Karten des politischen Spiels neu gemischt. Als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge des im Alter von 58 Jahren verstorbenen Ex-Fallschirmjägers, der sein Land 14 Jahre lang mit einer Mischung aus finanziellen Zuwendungen für die ärmeren Schichten der Bevölkerung, Drangsalierung des politischen Gegners und zünftigen Show-Einlagen in seiner berühmt-berüchtigen TV-Sendung „Aló, Presidente“, regierte, gilt sein Stellvertreter Nicolás Maduro.

Chávez, den seine Gefolgsleute stets mit Bewunderung „El Comandante“ nannten, hatte Maduro kurz vor seinem Tod als seinen Nachfolger empfohlen. Nach den Trauerfeierlichkeiten liegt es nun an ihm, dem Lager der „Chávistas“, das keineswegs homogen ist, eine einheitliche Stoßrichtung zu verleihen. Da die Neuwahlen am 14. April stattfinden werden, bleibt ihm nicht viel Zeit, den Wahlkampf zu organisieren und ein künftiges Regierungsprogramm zu formulieren. Auf der anderen Seite kommt diese Knappheit an Zeit Maduro entgegen – er kann von der Sympathiewelle für Chávez profitieren und die innerparteilichen Widersprüche unter der Decke halten.

Obwohl Maduro keineswegs über das Charisma des Comandante verfügt, sagen ihm die politischen Beobachter den Wahlsieg voraus. Der 50jährige gilt als Mitbegründer der „Bewegung für eine Fünfte Republik“ (MVR), die Chávez 1997 ins Leben gerufen hat. Maduro gewann das Vertrauen seines Chefs und kletterte schnell die politische Karriereleiter hinauf – er wurde Parlamentspräsident, Außenminister und schließlich Vizepräsident. Maduro ist mit der Generalstaatsanwältin Cilia Flores verheiratet, die Chávez nach dessen gescheiterten Putsch von 1992 als Anwältin vor Gericht verteidigt hatte.

Die bürgerliche Opposition tritt erneut mit dem Gouverneur der Provinz von Miranda, Henrique Capriles, an, der schon bei den letzten Präsidentschaftswahlen im Oktober vergangenen Jahres gescheitert ist, aber dennoch einen Achtungserfolg erzielen konnte.

Die Frage ist nun, ob das gesellschaftlich tief gespaltene Land den Übergang vom Volkstribun zu einer konsensfähigen Regierung friedlich schaffen wird. Einen Vorgeschmack darauf, was auf die Bevölkerung zukommen könnte, lieferte Maduro unmittelbar nach Chávez’ Tod. In einer Rede vor dem Kabinett und hohen Militärs äußerte er die These, der Comandante sei durch die heimliche Verabreichung von Krebszellen ermordet worden – ähnlich wie Palästinenserführer Arafat. Damit hat er die Weichen für einen härteren innenpolitischen Kurs gestellt.

Auch die Streitkräfte lassen keinen Zweifel daran, auf wessen Seite sie stehen. Viele hohe Offiziere verdanken Chávez ihre Positionen, und so ist es nicht verwunderlich, daß sie alles tun werden, um das Chávez-System zu stützen. So gab der Chef des Strategischen Operationskommandos unmißverständlich zu Protokoll: „Jene, die glauben, daß jetzt eine Ära ohne Chávez beginnt, irren sich. Chávez lebt weiter, Chávez lebt in den Herzen des Volkes.“

Immer wieder wird in diesen Tagen in Caracas darauf hingewiesen, daß der Comandante seine Revolution „pazifistisch, aber bewaffnet“ nannte, eine Bemerkung, hinter der sich nicht nur ein einschüchternder Unterton versteckt. Rocio San Miguel, Direktorin der Nichtregierungsorganisation Control Ciudadano fand „diese Worte alarmierend“.

Ein besonderes Augenmerk gilt der künftigen Außenpolitik Venezuelas. Wird die neue Regierung das sozialistische Kuba auch weiterhin mit Erdöllieferungen zu besonders günstigen Konditionen unterstützen, ohne die auf der Karibikinsel die Lichter ausgehen würden? Wenn es nach Maduro, einem Vertrauten der Castro-Brüder, geht, dann ja.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen