© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

„Die Zeit ist reif“
Bundestagswahl: Noch vor ihrer Gründung stößt die Euro-kritische Partei „Alternative für Deutschland“ auf großes Interesse
Hinrich Rohbohm

Wollen Sie zur Stadthalle?“ fragt der Taxifahrer. Dabei kennt er die Antwort schon. Immer wieder mußte er am vergangenen Montagabend Interessenten vom S-Bahnhof in Oberursel zum Veranstaltungsort der sich in der Gründung befindlichen Euro-kritischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) fahren. Gerade erst habe er einen der Organisatoren hinchauffiert. „Mit 500 Teilnehmern rechnet der“, plaudert der Fahrer. Er kann nicht ahnen, daß sich der Mann geirrt hat.

1.300 Zuhörer haben schließlich den Weg nach Oberursel gefunden, einer hessischen Kleinstadt in der Nähe von Frankfurt. Der Saal ist voll, eilig werden Trennwände herausgenommen, um im Foyer zusätzlichen Platz zur Verfügung zu stellen. Das Interesse ist riesig.

„Die Zeit ist reif“, sind die ersten Worte, die der Publizist und ehemalige Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und der Welt, Konrad Adam, ruhig und bedächtig ins Mikrophon spricht. Starker Beifall brandet auf. Der 71 Jahre alte Adam ist neben dem Hamburger Wirtschaftswissenschaftler Bernd Lucke (50) einer der Sprecher der „Alternative für Deutschland“. Mit ihm sitzen drei weitere Redner auf dem Podium. Der emeritierte Volkswirtschaftsprofessor Joachim Starbatty, die Vorsitzende der Zivilen Koalition, Beatrix von Storch, sowie der Publizist und Noch-Christdemokrat Alexander Gauland.

Alle drei geißeln die gegenwärtige Euro-Politik Merkels als „antidemokratisch“. Besonders Joachim Starbatty zeigt sich schon in Wahlkampflaune, sorgt mit inhaltlich präzisen und mit Pointen gewürzten Sätzen mehrfach für Begeisterung bei den Zuhörern. „Unsere Politiker sagen uns jetzt, wenn es keinen Rettungsschirm gegeben hätte, dann wären die Hedgefonds wie die Wölfe über uns hergefallen. Ich frage, wem hätte das denn überhaupt weh getan“, ruft er und hat die Lacher auf seiner Seite. Dafür rette man nun mit deutschen Steuergeldern die Vermögen russischer Oligarchen, kritisiert der Volkswirtschaftsexperte, der in einer Ablösung von Schwarz-Gelb durch Rot-Grün keine echte Alternative erkennen kann. „Rot-Grün unterscheidet sich in der Euro-Politik nur dadurch, daß sie die Transferunion noch schneller voranbringen will.“ Um so wichtiger sei die Gründung der „Alternative für Deutschland“.

Leisere und nachdenkliche Töne schlägt Alexander Gauland an. Entgegen den Beschwörungen der Politiker rücke Europa derzeit immer weiter auseinander statt zusammen. Daß Merkel auf Titelseiten griechischer Zeitschriften in SS-Uniform dargestellt werde, zeige die neue Furcht im europäischen Ausland vor einer deutschen Hegemonie sowie das Gespür der Völker in Europa für antidemokratische Tendenzen. Gauland macht den Unterschied zwischen Merkel und Adenauer anhand eines simplen Beispiels deutlich: „Als Adenauer Griechenland besuchte, reichten für seine Sicherheit fünf bis zehn Polizisten. Bei Merkel sind es 7.000.“ Nach Einschätzung des Ex-Staatssekretärs versuchten die Eliten, Europa zu „sakralisieren“. Er glaube auch nicht an die These, daß Europa nur als Einheitsstaat mit China und den Vereinigten Staaten konkurrieren könne. „Mit Phrasen wird verhüllt, daß der Euro nicht funktioniert“, sagt Gauland. Alle Redner stellen jedoch klar: Nicht gegen Europa wollen sie zu Felde ziehen sondern gegen den Euro und die EU. „Wir sind nicht Europa-müde, sondern EU-müde. Europa besteht aus 50 Staaten. Der EU gehören nur 27 an und der Währungsunion nur 17“, macht von Storch deutlich.

Zu den Unterstützern der neuen Partei zählt neben zahlreichen Wirtschaftsprofessoren aus dem konservativen und liberalen Spektrum auch der ehemalige Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Olaf Henkel. Und der Zulauf dürfte noch steigen. „Wir haben schon jetzt 2.000 zahlende Mitglieder“, sagte der Wahlbündnis-Sprecher Bernd Lucke der JUNGEN FREIHEIT.

Ob die „Alternative für Deutschland“ bei der anstehenden Bundestagswahl eine Chance hätte, könne er derzeit noch nicht genau einschätzen. „Das hängt davon ab, wie groß der Zulauf in den nächsten Wochen sein wird und welche finanziellen Ressourcen wir letztlich haben werden“, meint Lucke, der auch gegenüber seinen Zuhörern offen eingesteht: „Ohne Ihre Hilfe schaffen wir es nicht.“ In allen Bundesländern gebe es bereits Landesbeauftragte als Ansprechpartner für Interessenten. Entsprechend groß ist die Euphorie bei den Zuhörern nach der Veranstaltung. Sprecher Bernd Lucke ist von einer regelrechten Menschentraube eingekreist, beantwortet unentwegt die Fragen der Interessenten. „Sind Sie auch schon im Saarland aktiv?“ fragt einer. „Ja, im Saarland haben wir auch schon Ansprechpartner, ich gebe Ihnen gleich die Telefonnummer“, entgegnet Lucke, der sich über jeden einzelnen Fragenden zu freuen scheint.

Doch es gibt auch skeptische Stimmen. „Sag das alles mal später in der Tagesschau, viel Spaß, da wirst du dann zerrissen“, wirft jemand ein. „Ich bin schon neugierig auf die neue Partei, aber mir kommt das hier schon ein wenig vor wie eine Veranstaltung gefrusteter CDU-Anhäger“, meint ein jüngerer Zuhörer. Lucke ist vom Erfolg überzeugt. Sein Motto an die Zuhörer: „Wir brauchen Ihre Unterstützung und Ihr Geld. Geben Sie es lieber uns, bevor es für Griechenland aufgebraucht oder von der Inflation aufgezehrt wird.“

Alternative für Deutschland: Frankfurter Landstraße 153-155, 61231 Bad Nauheim www.alternativefuer.de

 

„Alternative für Deutschland“: Hürden auf dem Weg in den Bundestag

Für einen Antritt bei der Bundestagswahl am 22. September muß die „Alternative für Deutschland“ (AfD) noch zahlreiche Hürden überspringen:

Parteigründung: Damit die AfD überhaupt antreten kann, muß sie sich in eine Partei umwandeln. Der Gründungsparteitag ist für den 13. April in Berlin geplant. Nach der Gründung müssen dem Bundeswahlleiter die Satzung, das Programm und das Protokoll der Gründungsveranstaltung vorgelegt werden.

Prognose: Die Parteigründung dürfte keine Hürde sein.

Organisation: Um Kandidaten aufzustellen und einen Wahlkampf zu organisieren, braucht die Partei einen organisatorischen Unterbau. Nur wenn die AfD flächendeckend antritt, hat sie eine realistische Chance, in den Bundestag einzuziehen. Nach eigenen Angaben verfügt die AfD bereits in allen Bundesländern über Landesbeauftragte zur Vorbereitung der Gründung von Landesverbänden.

Prognose: Innerhalb weniger Wochen handlungsfähige Landesverbände aufzubauen ist eine große Herausforderung.

Bundeswahlausschuß: Jede Partei, die nicht im Bundestag oder einem Landtag mit mindestens fünf Abgeordneten vertreten ist, muß vom Bundeswahlausschuß als Partei anerkannt werden. Hierzu muß sie bis zum 17. Juni ihre Teilnahme an der Wahl beim Bundeswahlleiter schriftlich ankündigen. Für die Zulassung muß dann nachgewiesen werden, daß die Organisation „gefestigt“ ist. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist die Zahl von mindestens 400 Mitgliedern der Maßstab für eine ernstzunehmende Partei. Die AfD hat nach eigenen Angaben bereits jetzt 2.000 Mitglieder.

Prognose: An der Zulassung durch den Bundeswahlausschuß wird die AfD nicht scheitern.

Kandidatenaufstellung: Um bei der Wahl antreten zu können, muß die AfD Landeslisten mit Wahlvorschlägen (Kandidaten) aufstellen. Hierzu müssen von den Landesverbänden Vertreterversammlungen einberufen werden. Die Wahlvorschläge müssen mit den dazu notwendigen Unterstützungsunterschriften bis zum 15. Juli bei den Landeswahlleitern eingereicht werden.

Prognose: Mit erheblichem Organisationsaufwand verbunden, aber machbar.

Unterstützungsunterschriften: „Nicht-etablierte“ Parteien müssen für jede Landesliste bis zu 2.000 Unterstützungsunterschriften sammeln, die von den Landeswahlleitern überprüft werden. Das Sammeln dieser Unterschriften innerhalb weniger Wochen erfordert ein großes Engagement der Parteimitglieder. Als Warnung sollte der AfD die EU-kritische Partei Libertas dienen: Diese hatte es 2009 nicht geschafft, die für den Antritt bei der Europawahl notwendigen 4.000 Unterschriften zu sammeln.

Prognose: Das Sammeln der Unterstützungsunterschriften ist eine ernsthafte Hürde.

Finanzen: Der Bundestagswahlkampf und der Aufbau einer professionellen Parteiorganisation kostet Geld. Die AfD benötigt nach eigenen Angaben drei Millionen Euro. Die Partei ist dafür auf Spenden angewiesen. Zum Vergleich: Bei der Wahl 2009 hatten die Bundestagsparteien zusammen rund 60 Millionen Euro zur Verfügung.

Prognose: Angesichts der zahlreichen Unterstützer der AfD aus Wirtschaft und Publizistik erscheint es durchaus realistisch, genügend Spenden einzuwerben.

Medien: Nur wenn es der Partei gelingt, von den Medien wahrgenommen zu werden, besteht eine realistische Chance, in die Nähe der Fünfprozenthürde zu kommen. Die ersten Berichte sind vielversprechend: Über die Pläne zur Parteigründung wurde unter anderem groß in Bild und Welt berichtet. AfD-Chef Lucke durfte zudem in der ZDF-Sendung „Maybritt Illner“ vor einem Millionenpublikum für seine Ziele werben.

Prognose: Dennoch läßt es sich schwer vorhersagen, ob sich die Partei dauerhaft in den Medien etablieren kann.

„Kampf gegen Rechts“: Jede „nicht-linke“ Partei sieht sich früher oder später dem Vorwurf des Rechtspopulismus oder gar des Rechtsextremismus ausgesetzt. In einschlägigen linksextremistischen Internetforen werden die Initiatoren der AfD bereits als „deutschnationale Gestalten“ verunglimpft, zudem wird versucht, eine Nähe zum Rechtsextremismus zu konstruieren.

Prognose: Nur wenn es der AfD gelingt, eine kluge Gegenstrategie zu entwickeln, kann sie sich erfolgreich gegen Angriffe aus der linken Ecke wehren. (ms)

Foto: Bernd Lucke von Anhängern in Oberursel: „Ohne Ihre Hilfe schaffen wir es nicht“

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