© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

Braunkohle statt Sorben
Sachsen: In der Lausitz regt sich Widerstand gegen einen neuen Tagebau
Paul Leonhard

Anfang des Jahres ist die Blutbuche gefällt worden. Sie war der berühmteste Baum am Jagdschloß der Fürsten von Pückler in Weißwasser. Weit mehr als 200 Jahre alt, mit einem Stamm von zwei Metern Durchmesser. Sie stand dem Braunkohlebagger im Weg. Stamm und Wurzelteller sollen nun eingelagert und später der Nachwelt gezeigt werden. So wie die Sorben. Erneut sollen etwa 1.600 umgesiedelt werden. Die neuen Ortschaften sind bereits in Planung.

Dabei wird frühestens im Sommer feststehen, ob der neue Tagebau Nochten II und damit die Abbaggerung von 300 Millionen Tonnen Braunkohle genehmigt wird. Auch ist bisher kein einziger Einwohner von Mühlrose, Trebendorf, Mulkwitz, Rohne und Schleife gefragt worden, ob er mit der Abbaggerung von Haus und Hof einverstanden ist. Sachsens sorbischer Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) läßt gleich das „überwiegend öffentliche Interesse“ an der Braunkohlegewinnung feststellen. Er geht offenbar davon aus, daß seine Landsleute sich in das Unabänderliche klaglos fügen werden. Schließlich werden die neuen Häuser originalgetreu wiederaufgebaut, nur schöner.

Die Umsiedlung bezahlt der Energiekonzern Vattenfall. Der gibt überhaupt viel Geld aus, um sorbische „Bild- und Tonmaterialien sowie Erinnerungen in Archiven, Bibliotheken, Museen und Heimatstuben“ zu bewahren. So sieht es ein Kooperationsvertrag vor, der zwischen dem Konzern und der Domowina, dem Nationalverband des kleinen slawischen Volkes, geschlossen wurde. Darin steht auch, daß Vattenfall „die sorbische Bevölkerung in der Bergbauregion bei der Wahrung und Entwicklung ihrer sozialen und ethnischen Identität“ unterstützt.

Seit 1.600 Jahren siedeln die Sorben in der Lausitz. Seit über 100 Jahren wird hier Kohle abgebaut und seitdem schrumpft das sorbische Siedlungsgebiet. Schicht für Schicht verschwindet die Heimat, verschwinden die Erinnerungsorte. „Ein Viertel unserer gesamten Nation ist von der Kohlelobby aus der Heimat gezwungen worden“, warnte Jan Nuk, bis 2012 Domowina-Vorsitzender, bereits vor Jahren im Londoner Auslandspresseklub. Die friedliche Revolution von 1989 wollte den Landraub stoppen. Niemand soll mehr gegen seinen Willen umgesiedelt werden, verkündete damals der Bürgerrechtler Arnold Vaatz. Er wurde Minister und Bundestagsabgeordneter der CDU. Es folgte die Abbaggerung von Horno und Heuersdorf gegen verzweifelte Proteste der Betroffenen.

Die einstige CDU-Blockflöte Tillich setzt auf die heimische Braunkohle, aber nicht, weil sie angeblich die Grundlast- und Netzstabilität garantiert, sondern weil Vattenfall der größte Arbeitgeber in der strukturschwachen Region ist. Dafür ist er auch bereit, die Kohleförderung zu subventionieren. So wurde unlängst die Befreiung des Braunkohletagebaus von der Feldes- und Förderabgabe bis Ende 2015 verlängert. Und der Konzern wiederum verdient viel Geld daran, den unterirdischen Schatz der Sorben zu fördern und zu verstromen. Tillich schmerzt der Verlust der Heimat wenig. Sein eigener Ort ist nicht betroffen, und er kennt seine Landsleute aus Zeiten, als er noch in der Nationalen Front gemeinsam mit der SED das Volk belog. Nennenswerte Proteste traut er den Sorben nicht zu.

An ihrer Stelle kämpfen Umweltverbände wie Greenpeace. In Zeiten der Energiewende seien neue Braunkohletagebaue überflüssig, findet Greenpeace-Energiexperte Gerald Neubauer. Er stützt sich dabei auf Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Danach ist der „Aufschluß des Tagebaus Nochten II energiewirtschaftlich nicht gerechtfertigt“. Überdies reicht die für das Kraftwerk Boxberg benötigte Kohle aus den genehmigten Tagebauen Nochten I und Reichwalde noch mindestens bis zum Jahr 2040. Bis dahin sollte auch Sachsen die Umstellung hin zu erneuerbaren Energien geschafft haben. Wenn Tillich kontert, daß „die Braunkohle Sachsens Partner der Energiewende“ sei, kann Johannes Lichdi, energiepolitischer Sprecher der Bündnisgrünen im Landtag, nur den Kopf schütteln: Tillich sei einfach gegen erneuerbare Energien und halte deshalb „die alte Braunkohleindustrie aus ideologischen Gründen aufrecht“.

Die Grüne Liga Cottbus macht inzwischen auf ein weitere Gefahr aufmerksam. Schon heute verunreinigt der Tagebau Nochten I das Grundwasser mit Eisen und Sulfaten. Das habe Auswirkungen auf das Wasser der Spree, aus der Berlin und große Teile Brandenburgs ihr Trinkwasser gewinnen.

Foto: Bagger im Tagebau Nochten II: Das sorbische Siedlungsgebiet schrumpft seit 100 Jahren

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