© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

„Alternative für Deutschland“
Die Zeit drängt
Dieter Stein

Bei einer Auftaktveranstaltung der „Alternative für Deutschland“ versammelten sich im hessischen Oberursel über eintausend Bürger – erwartet wurden ursprünglich 400. Das ist schon ein Anzeichen dafür, auf welches enormes Interesse die Euro-kritische Formation trifft und welche Erwartungen durch sie geweckt werden. Trotz oder wegen der Nähe zur Bundestagswahl im September schäumt Begeisterung bei vielen enttäuschten Bürgern hoch.

Es kristallisiert sich hier eine Konstellation heraus, die der des „Bundes Freier Bürger“ (BFB) sehr ähnelt. Diese liberal-konservative Partei war 1994 durch den ehemaligen bayerischen FDP-Landesvorsitzenden Manfred Brunner aus Protest gegen den Euro gegründet worden. Obwohl auch er zunächst auf eine ähnliche Welle der Sympathie stieß, kam die Partei bei Wahlen nicht über ein Prozent hinaus und verschwand nach langen innerparteilichen Querelen 1999 von der Bildfläche wie schon Hunderte anderer Kleinparteien.

Viele Namen der BFB-Erstunterstützer und Euro-Kritiker, Joachim Starbatty, Karl Albrecht Schachtschneider und andere, tauchen auch heute bei der „Alternative für Deutschland“ wieder auf. Es ist die Frage, welche Fehler des BFB die neue Partei nicht wiederholen will.

Die Euro-Krise ist bislang ein Thema, das vor allem ins Mark einer gebildeten, intellektuellen, bürgerlichen Mittelschicht zielt. Fraglich ist, ob die breite Bevölkerung sich von diesem Thema zu Hunderttausenden an der Wahlurne mobilisieren läßt, solange die Folgen des Euro-Schlamassels nicht schmerzlich im Geldbeutel des „kleinen Mannes“ spürbar werden. Eine „Ein-Punkt-Partei“ dürfte es deshalb schwer haben.

Zwanzig Jahre nach dem BFB-Versuch haben sich andererseits die Formen der politischen Kommunikation revolutioniert. Schon die Piratenpartei mobilisierte innerhalb kürzester Zeit durch Internet und soziale Netzwerke Zehntausende Unterstützer. Und angesichts einer alle Grundsätze über Bord werfenden CDU und der von der Kanzlerin herumposaunten vermeintlichen „Alternativlosigkeit“ ihrer wetterwendischen Politik war eine „Alternative für Deutschland“ vielleicht noch nie so notwendig wie heute.

Die Parteigründer brauchen gute Berater, Finanziers und Organisatoren, wenn alles nicht in der x-ten Enttäuschung enden soll. Noch reagieren die Medien kritisch-wohlwollend. Allen voran die Unionsparteien noch vor linken Parteien werden jedoch mit fanatischer Gegenwehr reagieren, sollte sich das Ganze in ein ernstzunehmendes Parteiprojekt verwandeln. Das Konrad-Adenauer-Haus wird dann als erstes zur Faschismuskeule greifen und „Haltet den Nazi!“ rufen. Ob man diese Auseinandersetzung mit Abgrenzungsformeln und der Vermeidung einer geschichtspolitischen Positionierung überstehen kann, muß bezweifelt werden.

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