© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/13 / 08. März 2013

Haiders langer Schatten
Österreich: Kärnten künftig von Sozialdemokraten geführt / Niederösterreich bestätigt absolute Mehrheit für ÖVP / Stronach sammelt Protestwähler
Reinhard Liesing

Die Gesichter in der FPK-Führungsriege waren lang, als die ersten Hochrechnungen über die Bildschirme flimmerten. Mit solch desaströsem Ergebnis hatte die seit 2009 mit knapp 45 Prozent regierende Freiheitliche Partei Kärntens nicht gerechnet. Nur noch 16,9 Prozent der Wahlberechtigten gaben ihr die Stimmen. Ein Minus von 28 Prozentpunkten. Niemals zuvor ist in Österreich eine Partei dermaßen abgestraft worden.

Entsprechend schnell mußte reagiert werden. Der FPK-Parteivorsitzende Kurt Scheuch, der das Amt vor wenigen Monaten von seinem wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetretenen Bruder Erwin übernommen hatte, trat von seinem Amt zurück. Im Anschluß präsentierte sich der designierte neue FPK-Chef, der 40jährige Rechtsanwalt Christian Ragger, kämpferisch, indem er „Disziplinlosigkeit, Maßlosigkeit und Überheblichkeit“ der FPK-Führungsriege kritisierte und einen Neuanfang ankündigte.

Damit lag Ragger auf einer Linie mit dem Vorsitzenden der Schwesterpartei FPÖ. Heinz-Christian Strache hatte keinen Hehl aus seiner Enttäuschung gemacht und einen „ehrlichen Neubeginn“, ja sogar eine „Erneuerung und eine Gesamtoptimierung!“ auf Landesebene angemahnt (siehe Kommentar auf Seite 2). Denn nicht nur die Kärntner Schwesterpartei, auch die FPÖ-Niederösterreich mußte Stimmeinbußen (8,2 Prozent, minus 2,3) hinnehmen.

Großer Sieger und Nutznießer der Abrechnung mit dem System Haider in Kärnten sind die seit 1999 in Opposition befindlichen Sozialdemokraten (SPÖ) mit einem Stimmplus von 8,4 Prozent und die Grünen mit sieben Prozent Zuwachs. Aus dem Stand kam das Euro-kritische „Team Stronach“ des milliardenschweren Ex-Chefs des Autozulieferers Magna, Frank Stronach, mit 11,2 Prozent auf den vierten Platz.

FPK- Spitzenmann Gerhard Dörfler bekam die Rechnung präsentiert, mithin für die Politik seines Vorgängers, der, wie sich nach seinem tödlichen Unfall 2008 allmählich herausstellte, das Land und die Landesbank Hypo-Alpe-Adria als Selbstbedienungsladen für Partei und Freunderlwirtschaft mißbraucht hatte. Daß sich Dörfler nie von „Jörgl“ distanzierte, daß dessen zum Teil gerichtsanhängige Truppe politisch weiterwerkeln durfte und das Land wirtschaftliches Schlußlicht Österreichs ist, brach ihm das Genick.

Bereits am Wahlabend zeichnete sich eine mögliche Rot-Schwarz-Grün-Koalition ab, die damit über eine verfassungsändernde Zweidrittel-Mehrheit verfügt. Der 54 Jahre alte künftige Ministerpräsident Peter Kaiser (SPÖ) sieht sich und seine drei SPÖ-Landesräte je einem Regierungsmitglied von FPK, ÖVP, Grünen und Stronach gegenüber, wohingegen das Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) unter Haider-Nachfolger Josef Bucher, das überraschend 6,4 Prozent erreicht hatte, leer ausgeht. Die Landesverfassung schreibt gemäß dem darin verankertem Proporzsystem die Beteiligung aller im Landtag vertretenen Parteien an der Regierung entsprechend ihrer Stärke vor, sofern diese mehr als acht Prozent erzielten.

Dasselbe gilt für Niederösterreich, wo Landesfürst Erwin („Erwinator“) Pröll zum dritten Mal hintereinander die absolute Mehrheit der Stimmen und Sitze erringen konnte. Der 66 Jahre alte, seit mehr als zwei Jahrzehnten regierende Landeshauptmann, ein promovierter Agrarökonom, kam mit seiner ÖVP auf 50,8 Prozent der Stimmen, gegenüber 2009 ein Minus von 3,4 Punkten.

Auch hier erzielte der Austrokanadier Frank Stronach, Gründer des Autoteilezulieferers Magna, mit seinem erstmals angetretenen Team Stronach aus dem Stand 9,8 Prozent und entsendet damit fünf Abgeordnete in den Landtag. Stronach zog mit Wirtschaftskompetenz, dem breiten Unmut über die etablierten Parteien, zu denen viele mittlerweile auch die FPÖ zählen, sowie Euro-Skepsis Wähler an und der von Barbara Rosenkranz geführten Landes-FPÖ sicher geglaubte Stimmen ab. Die SPÖ unterbot ihr ohnedies „historisch schlechtes“ Ergebnis von 2009 noch einmal um 3,9 Punkte und stellt bei 21,6 Stimmenprozenten nur noch 13 Sitze (minus zwei) im Landtag.

Mit den beiden Landtagswahlen, bei denen etwa ein Drittel aller Wahlberechtigten der Alpenrepublik zur Stimmabgabe aufgerufen waren – woran sich gut 70 Prozent beteiligten –, ist in Österreich das „Superwahljahr 2013“ eingeläutet worden, bei dem vor allem der 1954 nach Amerika ausgewanderte Stronach das System gehörig durcheinanderwirbelt. Der 80jährige, der in Niederösterreich als Spitzenkandidat Listenführer war, aber seinen Sitz im Parlament nicht einnehmen wird, kaufte sich mit bisher kolportierten 7,5 Millionen Euro in die Politik ein, warb anderen Parteien – vornehmlich BZÖ und SPÖ – Hinterbänkler ab und zieht in zwei Landtage ein.

Dennoch zeigte sich Stronach nach den beiden Wahlgängen enttäuscht, sprach sogar davon, „mehr erwartet“ zu haben und setzte sich anschließend in den Flieger nach Kanada. Laut ORF ist der Rückflug dann für die ersten April-Woche geplant – pünktlich zur Landtagswahl in Salzburg, die am 5. Mai 2013 stattfinden.

Foto: Designierter FPK-Chef Ragger (l.) mit Vorgänger Kurt Scheuch: „Disziplinlosigkeit, Maßlosigkeit und Überheblichkeit“

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