© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/13 / 08. März 2013

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Merkels doppelte Wende
Thorsten Brückner

Die Schlacht um die Homo-Ehe wurde in den vergangenen Tagen nicht allein in Berlin geschlagen. Auch der nordrhein-westfälische CDU-Vorsitzende Armin Laschet und Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) bekamen den Zorn der Homo-Lobby zu spüren. Die beiden Politiker, konservativer Positionen eigentlich unverdächtig, hatten zu verstehen gegeben, daß eine völlige rechtliche Gleichstellung Homosexueller mit ihnen nicht zu machen sei. Lieberknecht hatte sich dabei sogar für eine Abschaffung des Ehegattensplittings ausgesprochen. Ihre Einlassungen zur Adoptionsthematik erzürnten jedoch zahleiche Homosexuellen-Aktivisten. „Es geht um das Kindeswohl, und ein Kind braucht von seiner Veranlagung her einen Vater und eine Mutter“, sagte die thüringische Ministerpräsidentin. Und dies zu einem Zeitpunkt, als CDU-Spitzenpolitiker wie die rheinland-pfälzische Vorsitzende Julia Klöckner und ihr Kollege aus Baden-Württemberg, Thomas Strobl, gerade darum bemüht waren, nach dem Karlsruher Urteil zur Homo-Adoption auch die letzten Reste konservativer Familienpolitik in der Union zu entsorgen.

Wenige Tage später dann die Rolle rückwärts. Bundeskanzlerin Angela Merkel versuchte, die Geister, die die Progressiven in ihrer Partei herbeigerufen hatten, eiligst wieder loszuwerden um vor der Bundestagswahl nicht auch noch die letzten Stammwähler zu verprellen. Auch aus Bayern war zu diesem Zeitpunkt bereits ein kategorisches Nein zu vernehmen. Zu groß die Angst von Ministerpräsident Horst Seehofer, konservative CSU-Wähler könnten im September der Landtagswahl fernbleiben und somit die Christsozialen erneut in eine ungeliebte Koalition zwingen. Freilich hielt sich in Berlin die Kanzlerin in bewährter Manier auch diesmal alle Optionen offen. Sie tue sich mit Splitting und Adoptionsrecht für Homosexuelle schwer, ließ sie vergangene Woche verlauten. Nach dem halbherzigen Machtwort der Kanzlerin standen Klöckner und Strobl ziemlich alleine da. Sie blieben jedoch bei ihrer Linie und forderten erneut, die Union müsse „Realitäten anerkennen und gesellschaftliche Entwicklungen nachvollziehen“. Hintergrund der parteiinternen Diskussion ist ein erwartetes Urteil des Verfassungsgerichts zum Ehegattensplitting. Nachdem die Karlsruher Richter in ihrer jüngsten Entscheidung die Adoptionsmöglichkeiten für Homosexuelle ausgeweitet haben, rechnen Beobachter mit einer Entscheidung zugunsten der steuerrechtlichen Angleichung.

Die Diskussion läßt die CDU in einer mißlichen Lage zurück. SPD und Grüne werden es sich nicht nehmen lassen zu versuchen, die völlige Gleichstellung noch in diesem Jahr durch eine Bundesratsinitiative zu erzwingen. Im Bundestag, der einem solchen Entwurf ebenfalls zustimmen müßte, könnte sie dann die Chance nutzen und CDU-Abgeordnete, die sich in der aktuellen Debatte für die Gleichstellung ausgesprochen haben, vorzuführen. Diese wären dann gezwungen, sich entweder gegen die eigene Fraktion zu stellen oder ständen bei Ablehnung als Umfaller da.

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