© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Sauberer Stiefel
Klaus Hammel hat eine bemerkenswerte Studie des Italienkriegs im Zweiten Weltkrieg vorgelegt
Franz Uhle-Wettler

Mehrere der vielen Vorzüge des anzuzeigenden Buches, dabei die Gründlichkeit, zeigt bereits das erste Kapitel „Der Weg der USA in den europäischen Krieg“: Hier legt der Verfasser dar, warum sich die USA schon lange vor der Kriegserklärung „völkerrechtswidrig“ am „unerklärten Krieg auf dem Atlantik“ beteiligten und warum sie Deutschland noch vor Japan niederwerfen wollten.

Seine Gelassenheit gegenüber der politischen Korrektheit zeigt der Verfasser, wenn er darlegt, wie oft das vom Puritanismus geprägte angloamerikanische Denken der „Wahrnehmung eigener Interessen“ den Rang eines „religiösen“ Bekenntnisses verleiht und folglich jeden Widersacher als das verkörperte Böse ansieht. So verschmilzt das religiös umkleidete Sendungsbewußtsein mit dem Streben nach „Profit, Macht und Einfluß“. Anschließend schildert der Verfasser das Ringen zwischen den USA und England um die Mittelmeer-Strategie sowie damit den Zweck der Landung in Italien und die deutschen Pläne und Maßnahmen. So stellt diese gründliche Studie über den Kampf in Italien zu Recht die ersten Landungen in Italien erst ab Seite 65 dar.

Die folgenden elf Kapitel zeigen sogleich einen weiteren Vorzug. Der Leser findet 26 farbige Lagekarten, deren Gestaltung zeigt, daß der Verfasser Generalstabsoffizier war. Wo so viel Licht ist, ist stets auch etwas Schatten. So verzichtet Klaus Hammel auf manche Arabeske, mit der er die Leistungen der Wehrmacht zu Lasten ihrer Gegner noch deutlicher hätte machen können. Ein Beispiel: Die Alliierten waren südlich von Neapel bei Salerno gelandet. Britische, an der Stiefelspitze gelandete Truppen gingen, den strikten Befehlen folgend, so langsam vor, daß es zwei Reportern zu langweilig wurde. Sie fuhren mit ihrem Jeep voraus und waren die ersten, die mit dem nördlicherem Landekopf Verbindung aufnahmen.

Breiten Raum nimmt zu Recht die Schilderung der Kämpfe um Cassino ein, denn sie waren für den Kampf um Italien wichtig und sie sind den beteiligten Völkern im Gedächtnis geblieben. Die Schilderung dieser Kämpfe wird mithin sogar durch zehn Lagekarten unterstützt. Dabei wird die angesichts der erdrückenden Übermacht der alliierten Truppen große kämpferische Leistung der deutschen Truppen deutlich. Zudem schildert der Verfasser ausführlich, was die Wehrmacht zur Sicherung der bedeutsamen Kunstschätze des bedeutendsten Klosters des westlichen Abendlandes getan hat und daß sie das Kloster frei von Truppen gelassen hatte. Damit wird die Sinnlosigkeit der völligen Zerstörung des Klosters durch die Alliierten deutlich. Das verbrecherische Verhalten (kolonial)-französischer Truppen bei Monte Cassino belegt der Verfasser unter anderem durch Wiedergabe von Meldungen amerikanischer Truppen an ihre Vorgesetzten.

Die folgenden Kapitel schildern die Kämpfe um Rom, bis hinauf zur Po-Ebene und die Kapitulation. Auch hier vermeidet es Hammel, manche Peinlichkeit des Verhaltens der Alliierten zu erwähnen. Zum Beispiel, daß die Alliierten die Neutralität des Staates San Marino, anders als zuvor die Wehrmacht, einfach mißachteten.

Ungewöhnlich, aber wichtig für deutsche Leser ist im abschließenden Kapitel der Teil „Die Wehrmacht auf dem Kriegsschauplatz Italien“. Hier zitiert der Verfasser Urteile ausländischer Historiker, denen zufolge „Moral, Elan, Truppenzusammenhalt und Elastizität“ der Wehrmacht „einzigartig“ waren, daß die „außerordentliche Hochachtung“ vor der „sauberen Art“, mit der die Deutschen kämpften, Gründe hatte und daß sie gar die „besten Soldaten der Welt“ waren.

Der Verfasser verschweigt nicht, daß es „rechtswidrige und ethisch nicht vertretbare Handlungen gegenüber der italienischen Bevölkerung“ gab und auch er spricht von „schrecklichen Massakern unter dem Vorwand der Partisanenbekämpfung“. Das zeigt seinen unvoreingenommenen Blick. Hammel scheut sich aber nicht, die Entwicklung in der Bundesrepublik darzulegen, wo die militärische Leistung kaum noch interessiert und deutsche Verbrechen weit in den Vordergrund geschoben werden, obwohl zuweilen jene sogar durch die von den jeweiligen Verfassern zitierten Quellen in Frage gestellt werden. Weiterhin berichtet Hammel ausführlich, was die Wehrmacht getan hat, um Kunstschätze und Städte wie Rom oder Florenz zu schützen. Dieses Verhalten steht in bemerkenswertem Kontrast zu jenem der Alliierten, die sogar über den Vatikan übermittelte Angebote zu beiderseitiger Schutzverpflichtung unbeantwortet ließen oder ablehnten.

Wie bei einem so gründlichen Werk zu erwarten, schließt das Buch mit Personenregister, Literaturverzeichnis, Gliederungsbildern der beiderseitigen Truppen, Beispielen für Befehle und einem Abkürzungsverzeichnis, ohne das manch ein Leser kaum verstünde, was Arko oder CEF in den zitierten Befehlen bedeutet. Hervorzuheben ist noch, daß der Verfasser seine Darstellung mit 88 Fotos illustriert, seine Urteile mit 836 Fußnoten und Quellen belegt und daß diese Studie auch ohne die Häufung von Anglizismen auskommt.

Mancher Leser könnte dieses Buch als ein abschließendes Werk zum Thema beurteilen. Damit hätte er wohl Recht.

 

Dr. Franz Uhle-Wettler, Generalleutnant a. D., ist Militärhistoriker und war Leiter des Nato Defence College in Rom

Klaus Hammel: Der Krieg in Italien 1943-45. Brennpunkt Cassino-Schlachten. Osning Verlag, Bielefeld 2012, gebunden, 496 Seiten, Abbildungen, 44 Euro

Foto: Deutscher Soldatenfriedhof bei Cassino: „Moral, Elan und Elastizität waren einzigartig“

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