© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

CD: Tannhäuser
Rein musikalisch
Sebastian Hennig

Zu den großen Unternehmungen des Wagner-Jahres zählt der Zyklus des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin. 2010 hat das Orchester unter Marek Janowski damit begonnen, zehn der bedeutendsten Bühnenwerke Richard Wagners auf das Konzertpodium zu heben. „Siegfried“ wird heute, am 1. März, aufgeführt und die „Götterdämmerung“ am 15. dieses Monats. Mit der Veröffentlichung des Mitschnittes der „Götterdämmerung“ im November dieses Jahres kommt das Projekt dann zu seinem Abschluß.

Das Vorhaben atmet den Geist einer noblen Resignation. Eigentlich gehören die Musikdramen fraglos auf die Bühne. Doch durch die anhaltende Verkrüppelung, die ihnen dort geschieht, beginnt das Siechtum schon auf das rein Musikalische überzugreifen, sofern von einem solchen bei Wagner überhaupt gesprochen werden kann. Hat er doch alles Musikalische mitgedichtet und jedes Wort musikalisiert.

Im Beiheft des zuletzt erschienenen „Tannhäuser“ ist dokumentiert, wie anders die Einheit seiner Musikdramen auf der Bühne wirkte. Der Dresdner Zeitgenosse Robert Schumann bemerkt zunächst, die Musik sei „matt und forciert“, bald darauf aber: „... von der Bühne stellt sich alles ganz anders dar. Ich bin von vielem ganz ergriffen gewesen.“

Im Grußwort der Edition konzentriert sich Bundestagpräsident Norbert Lammert allein auf die Vorzüge: „Kein Bühnenbild konkurriert mit dem musikalischen Fluß, keine Regie, die Wagners Poesie stützen oder brechen könnte. (…) Keine Bilder, dafür Rückbesinnung auf das Wesentliche, auf die Musik.“

Die Gedanken sind frei, auch die Bildphantasie. Stellen wir uns also Bilder dazu vor, wie sie auf der Bühne dank dem technischen Fortschritt inzwischen möglich wären, aber nicht sein dürfen. Denn warum wohl hat Lars von Trier seine Bayreuther Ring-Inszenierung aufgekündigt, nachdem sie schon weit fortgeschritten war?

Die Produktion von Deutschlandradio und Pentatone ist in diesem Umfang beispiellos. Zum Jubiläum gibt es einige Komplett-Boxen mit beispielhaften Einspielungen. Und regelmäßig werden die Mitschnitte aktueller Inszenierungen als Tonträger nachverwertet. Die kleinen und mittleren Bühnen überheben sich derweil mit kleinen und mittleren Sänger-talenten an großen Musikdramen. Die ganz großen Bühnen sind zu unbeweglich, um jene homogenen Inszenierungen zustande zu bringen, wofür sie eigentlich allein über Mittel und Wege verfügen.

Marek Janowski nahm bereits in den frühen achtziger Jahren in einer Ost-West-Koproduktion mit der Staatskapelle Dresden einen konzertanten „Ring“ im Dresdner Kulturpalast auf. Die vorliegende „Tannhäuser“-Aufführung wurde zum Konzert in der Berliner Philharmonie am 5. Mai 2012 aufgezeichnet. Das Unmittelbare bringt dann doch etwas Dramatik in die konzertante Situation. Wir werden zu Zeugen des Gelingens oder Ungenügens. Der Versuch der Annäherung an das Ideal fesselt durch seine schicksalhafte Geschlossenheit. Es gab nur den einen Wurf.

Die Ausstattung der Edition mit schwarzen Kartontaschen ist edel gedacht, aber funktioniert nicht in der gedachten Weise. Das am Rücken angeleimte umfangreiche Beiheft wird beim Blättern zwangsläufig aus der Decke gerissen.

Richard Wagner, Tannhäuser Pentatone Classics, 2012 www.pentatonemusic.com

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