© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Stete Wühlarbeit höhlt den Stein
Homosexuelle Lobbyarbeit: Einst noch belächelt, hat sich die schwul-lesbische Szene zu einem ernstzunehmenden Machtfaktor entwickelt
Christian Schreiber

Das große Ziel der gesellschaftlichen und politischen Wühlarbeit der Homo-Lobby scheint greifbar nah. Das Bundesverfassungsgericht hat Beschränkungen beim Adoptionsrecht für homosexuelle Lebenspartner für verfassungswidrig erklärt. Homosexuelle, die in einer eingetragenen Partnerschaft leben, dürfen nach der Entscheidung des Gerichts künftig ein von ihrem Partner zuvor angenommenes Kind adoptieren.

Das ist nur ein weiterer Zwischenschritt auf dem Weg der völligen Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe. Daß es darauf hinauslaufen soll, machen die Vertreter der Homosexuellen-Lobby keinen Hehl. Denn ihre Verankerung ist tief in die bürgerliche Mitte vorgedrungen. Bester Beweis dafür ist die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. Zweck der Einrichtung ist es laut Selbstdarstellung unter anderem, Bildung, Wissenschaft und Forschung zu fördern, die sich mit homosexuellen Lebenswelten heute und in der Vergangenheit beschäftigen. Namensgeber Magnus Hirschfeld war ein Berliner Arzt und Sexualwissenschaftler, der von 1868 bis 1935 lebte und als Pionier der Homosexuellenbewegung gilt.

Verankerung bis Tief in die bürgerliche Mitte hinein

Zunächst wurde die Stiftung mit zehn Millionen Euro ausgestattet, die Initiatorin ist Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die zugleich Vorsitzende des Stiftungskuratoriums ist. Stolz hatte die FDP-Politikerin bei der Gründung der Stiftung im März 2011 deren Weg gewiesen: Sie „wird einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, die Diskriminierung von Lesben, Schwulen und Transgender in Deutschland abzubauen“.

Auch die weiteren Mitglieder des Kuratoriums sind ein Who is Who der politischen und vorpolitischen Homo-Lobby. So finden sich unter anderem die dem Bundesverband der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) nahestehenden CDU-Bundestagsabgeordneten Stefan Kaufmann und Jens Spahn (CDU), der Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für die Belange von Lesben und Schwulen, Johannes Kahrs, der Grünen-Politiker und langjährige Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD) Volker Beck, der Schwulen- und Lesbenlobbyist der FDP Michael Kauch sowie Vertreter der Bundeskonferenz Schwul-Lesbischer Netzwerke e.V. (BKSL), der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche e.V. (HuK) oder des Bundesverbands schwuler Führungskräfte (Völklinger Kreis e.V. (VK)).

Jahrelang kämpften SPD und Grüne um die Zulassung dieser Stiftung, umgesetzt wurde sie schließlich von CDU und FDP im Jahr 2011. Deutlicher kann man einen politischen Ansehensgewinn und Akzeptanzzuwachs sowie die politische Akzentverschiebung nicht manifestieren.

Spätestens seit der verbalen Auseinandersetzung zwischen dem CSU-Bundestagsabgeordneten Norbert Geis und seinem grünen Kollegen Volker Beck über die Gleichstellung der Homo-Ehe ist eine Debatte über den Einfluß von homosexuellen Lobbyverbänden entbrannt.

Beck selbst gilt als Paradebeispiel für eine schwule Karriere in der Bundesrepublik. Schon kurz nach seinem Eintritt bei den Grünen 1980 wurde er Schwulenreferent der Bundestagsfraktion, von 1991 bis 2004 war er Sprecher des LSVD. Diese Vereinigung ist mit 3.000 Einzelmitgliedern und rund 100 angeschlossenen Organisationen die größte Homosexuellen-Organisation in der Bundesrepublik. Erreicht hat der Verband in den letzten Jahren viel: „Das Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 haben wir bereits durchgesetzt. Nach zehn Jahren hartnäckiger Überzeugungsarbeit hatten wir die Mehrheit im Parlament und in der Gesellschaft für unsere Sache gewonnen. Und wir lassen nicht locker. Es ist gelungen, immer mehr Rechte an die Lebenspartnerschaft anzudocken, seit Anfang 2005 auch die Hinterbliebenenversorgung bei der gesetzlichen Rente und die Möglichkeit der Stiefkindadoption. Jetzt kämpfen wir weiter für die volle Gleichstellung mit der Ehe, vor allem auch bei der Steuer und im Adoptionsrecht“, erklärt der Verband.

Der LSVD ist gut vernetzt. Auf seiner Internetseite finden sich Verweise zu Unterorganisationen aller im Bundestag vertretenen Parteien. So gibt es die LSU, die „Schwusos“, „die Liberalen Schwulen und Lesben“ (LiSL), sowie Unterorganisationen bei den Grünen und der Linkspartei. Eng vernetzt sind diese Gruppen mit gesellschaftlichen schwul-lesbischen Interessenvertretungen. So wird das Bildungsprojekt der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld „Fußball gegen Homophobie“ ab sofort mit der Initiative „Fußballfans gegen Homophobie“ kooperieren.

Während die Schwusos am Internationalen Tag gegen Homophobie (17. Mai 2012) den gemeinsamen Stand mit der Schwul-Lesbischen Initiative Mannheim und der HuK (Homosexuelle und Kirche) lobten, rühmte sich die LiSL-NRW der Unterstützung diverser Christopher-Street-Days (CSD) sowie der Kontaktpflege zum Kölner Lesben- und Schwulentag, dem LSVD und dem Völklinger Kreis. Somit ist der Einfluß auf die Politik stets gewährleistet.

Mir einer eher geringen Mitgliederzahl von 3.000 erfüllt der LSVD übrigens ein typisches Klischee von Lobbyverbänden. Kleine Mitgliederzahl, großes Mobilisierungspotential. Und längst ist homosexuelle Klientelpolitik kein Privileg linker Parteien mehr. So setzte die FDP unter dem Parteivorsitzenden Guido Westerwelle gerade in den Großstädten auf eine offensive Zusammenarbeit mit der „Community“.

Westerwelle und der ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust (CDU) , waren die ersten Politiker aus dem bürgerlichen Spektrum, die sich öffentlich zu ihrer Homosexualität bekannt haben. Aktivisten sahen darin einen Durchbruch.

Doch vor allem im vorpolitischen Raum ist der Organisationsgrad hoch. So gibt es einen Arbeitskreis „Homosexueller Angehöriger der Bundeswehr“, einen „Bund lesbischer und schwuler Journalistinnen“ oder auch einen „Verband lesbischer und schwuler Polizeibeamter“. All diese Organisationen, Verbände und Vereinigungen bieten Hilfestellungen im Beruf an, ernennen Mobbing-Beauftragte und geben rechtliche Hilfestellungen. Ob dieses Netzwerk auch zur Karriereförderung eingesetzt wird, ist nicht auszuschließen und sogar wahrscheinlich, aber wissenschaftlich noch nicht erwiesen.

Neben dem LSVD gilt der Völklinger Kreis als einflußreichste Interessenvertretung: „Als Berufsverband für schwule Führungskräfte aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Kultur ist der Völklinger Kreis e.V., Bundesverband schwuler Führungskräfte (VK) das führende Netzwerk homosexueller Manager, Unternehmer und Freiberufler in Deutschland.“ Der VK bezeichnet sich offensiv als „beruflicher Lobbyverband“. Entsprechend „begrüßte“ er die „schrittweise Beseitigung der Diskriminierung Homosexueller“ im Adoptionsrecht durch das Bundesverfassungsgericht und „rechnet“ nun „mit einer baldigen Gleichstellung auch im Einkommenssteuerrecht“, während er die CSU auffordert, „sich dem Sinneswandel der CDU bei der Gleichstellung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft anzuschließen“.

 

Netzwerk politischer und gesellschaftlicher Homo-Lobbygruppen

Lobbygruppen in der Gesellschaft

Gayfarmer – Schwule Vereinigung grüner Berufe

Bundeskonferenz schwul-lesbischer Netzwerke (BKSL)

Akademie Waldschlößchen - Schwul-lesbisches Tagungshaus

Bundesarbeitskreis Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle bei ver.di

Jugendnetzwerk Lambda – jung, schwul, lesbisch, bi, trans*

AG Lesben in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

AG Schwule in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

Christopher Street Day (CSD)

Fußballfans gegen Homophobie

Bundesarbeitsgemeinschaft Schwule Juristen (BASJ)

Wirtschaftsweiber – Netzwerk lesbischer Fach- und Führungskräfte

Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK)

Arbeitskreis Homosexueller Angehöriger der Bundeswehr (AHsAB e.V)

Bund lesbischer und schwuler JournalistInnen (BLSJ)

Völklinger Kreis – Bundesverband schwuler Führungskräfte (VK)

Lesben- und Schwulenverband (LSVD)

 

Lobbygruppen in der Politik

Queer Initiative (Friedrich-Naumann-Stiftung)

Bundesstiftung Magnus Hirschfeld

Grüne Bundesarbeitsgemeinschaft Lesbenpolitik

Bundesarbeitsgemeinschaft DIE LINKE.queer

Grüne Bundesarbeitsgemeinschaft Schwulenpolitik

Arbeitsgemeinschaft der Lesben und Schwulen in der SPD (Schwusos)

Liberale Schwule und Lesben (LiSL)

Lesben und Schwule in der Union (LSU)

Foto: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Michael Kauch (beide FDP), Volker Beck (Grüne) sowie des Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes, Günter Dworek (r.), vor der russischen Botschaft in Berlin (Juni 2006): Vereinter Kampf für die Rechte von Homosexuellen weltweit

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