© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Aus der Zeit gefallen
Nachruf: Gerhard Frey prägte mit seiner „Nationalzeitung“ die deutsche Nachkriegsrechte
Dieter Stein

Noch Ende der achtziger Jahre kam man in Westdeutschland an kaum einem Kiosk vorbei, an dem nicht seine drei Zeitungen übereinander ausgehängt waren: Deutsche Nationalzeitung, Deutscher Anzeiger und die Deutsche Wochenzeitung. Es waren Boulevardblätter von rechts, die Hälfte ihrer Titelseite mit Schlagzeilen gefüllt. Der Klassiker: „Deutsche Soldaten – Helden oder Verbrecher?“ In den siebziger Jahren soll alleine die Nationalzeitung eine verkaufte Auflage von über 100.000 Exemplaren gehabt haben.

Der Eigentümer dieser Blätter hieß Gerhard Frey. Er wurde 1933 als Sohn einer wohlhabenden, alteingesessenen Kaufmannsfamilie im oberpfälzischen Cham geboren, volontierte bei der Passauer Neuen Presse und schrieb schon als 18jähriger für die 1951 gegründete Deutsche Soldaten-Zeitung (DSZ). Die Zeitung war von ehemaligen Wehrmachtsoffizieren mit Unterstützung von Deutschamerikanern gegründet worden, um die „Wehrbereitschaft“ unter den kriegsmüden Deutschen zu stärken und das Ansehen der Veteranen zu verteidigen. Als die DSZ 1953 in eine finanzielle Schieflage geriet, sprang Frey als Darlehensgeber ein, nachdem Zahlungen des Bundespresseamtes (11.000 D-Mark monatlich) ausblieben. Aus der DSZ wurde später die Deutsche National-Zeitung (DNZ), erkennbar an ihrem charakteristischen Eisernen Kreuz im Titel.

Frey schuf ein Kampfblatt, das die Grenzen der Pressefreiheit auslotete. Dies soll ihm bis 1980 über 500 Strafprozesse eingebracht haben, die er jedoch – so lautet der Mythos – fast alle gewonnen haben soll. Gipfelpunkt staatlicher Maßnahmen gegen die Frey-Presse war 1969 der Antrag der Bundesregierung durch Innenminister Ernst Benda (CDU), Frey das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit abzuerkennen. Vorangegangen waren polizeiliche Durchsuchungsaktionen und Beschlagnahmungen in der Redaktion, nachdem die DNZ 1967 auf der Titelseite den israelischen General Moshe Dayan neben Hitler abgebildet und geschlagzeilt hatte: „Israels Auschwitz in der Wüste – Der Massenmord an den Arabern. Dayan auf Hitlers Spuren“.

Nach fünfjähriger Verfahrensdauer wies das Bundesverfassungericht diesen Antrag jedoch zurück – ein Triumph für Frey und letztlich auch für die Meinungs- und Pressefreiheit, wie selbst linke Gegner einräumen mußten. Wie später bekannt wurde, war Frey bei seinem Verfahren vom ehemaligen bayerischen CSU-Kultusminister, Staatsrechtler und Grundgesetzkommentator Theodor Maunz durch ein Gutachten unterstützt worden.

Ein besonderes Kapitel ist die Einflußnahme Freys auf die Parteipolitik. Mehrfach hat Frey in entscheidenden Momenten zur Wahl von CDU/CSU oder FDP aufgerufen. Als die NPD in den sechziger Jahren aufstieg, bekämpfte er ihren Vorsitzenden Adolf von Thadden („Der große Versager“) und sah dessen Parteipresse Deutsche Nachrichten und Deutsche Wochenzeitung als wirtschaftliche Konkurrenten. Mit seiner 1971 gegründeten Deutschen Volksunion (DVU) schuf Frey eine Phantomorganisation, die bis 1987 nicht an Wahlen teilnehmen sollte. Neben die DVU stellte Frey Dutzende weitere Vereine („Aktion Oder-Neiße“, „Ehrenbund Rudel“ oder „Initiative für Ausländerbegrenzung“), mit denen er eifrig Spenden sammelte.

Als der stellvertretende Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks Franz Schönhuber 1981 seine Waffen-SS-Vergangenheit in einer Autobiographie „Ich war dabei“ öffentlich machte, wurde das für die Nationalzeitung wochenlang zum Topthema, das Buch wurde vom verlagseigenen „Deutschen Buchdienst“ erfolgreich verkauft. Als Schönhuber jedoch 1983 mit zwei aus der CSU ausgetretenen Bundestagsabgeordneten die Partei „Die Republikaner“ gründete, schaltete Frey auf Konfrontation.

Es traf ihn schwer, als einer seiner Redakteure zu den Republikanern wechselte und deren Parteizeitung zu einem erfolgreichen Blatt machte. Als die Partei in Bayern 1986 einen ersten Achtungserfolg erzielte, wandelte Frey im März 1987 die DVU postwendend in eine Partei um, um im selben Jahr bei den Landtagswahlen in Bremen mit einem Testlauf die Republikaner zu überflügeln. Frey war getrieben von der Motivation, sein Quasi-Pressemonopol auf der „Rechten“ um jeden Preis zu verteidigen. Er pumpte Millionen in diese Wahlschlachten.

Die Republikaner zogen gegen seinen erbitterten Widerstand 1989 in das Berliner Abgeordnetenhaus und das Europaparlament ein. Die Demontage der Partei, der er mit fortgesetzten Konkurrenzantritten zusetzte, trägt auch seine Handschrift. Der 2004 geschlossene „Deutschlandpakt“ seiner DVU mit der NPD leistete einen entscheidenden Beitrag zur Etablierung der NPD.

Freys Blätter mit ihrer obsessiven Vergangenheitsfixierung waren Spiegelbild einer neurotischen Gesellschaft, die Vertriebene, Soldaten, aber auch politisch national oder rechts denkenden Bürgern die Diskursteilhabe verweigerte. Gleichzeitig produzierte Frey mit seiner Presse kein neues politisches Bewußtsein, sondern reproduzierte Klischees einer NS-fixierten Rechten, die aus der Zeit gefallen ist und deren politische Isolation er letztlich verlegerisch zu nutzen wußte.

Frey starb in der vergangenen Woche einen Tag nach Vollendung seines achtzigsten Lebensjahres. Er hinterläßt Frau und vier Kinder. Einer seiner Söhne, Gerhard Frey jr., hat bereits vor einiger Zeit faktisch die Leitung der Nationalzeitung übernommen.

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