© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Haltungsnote
Training des aufrechten Ganges
Christian Rudolf

Über Politologen hört man ja bisweilen wenig schmeichelhafte Urteile: Historiker, bei denen es zum Latinum nicht gereicht hat, Modeschwafelfachabsolventen, Verfasser von Gefälligkeitsstudien, die eine Unterwanderung der Gesellschaft durch „Nazis“ beurkunden. Helmut Müller-Enbergs macht nicht den Eindruck, Warmduscher zu sein. Bei seinen Ermittlungen faßt der 52jährige Spionageexperte die ganz heißen Eisen an: Der wissenschaftliche Referent bei der Stasi-Unterlagenbehörde ist Vollblutexperte auf dem Gebiet der Westarbeit der Stasi, also der Unterwanderung und schleichenden Zersetzung der Bundesrepublik durch IMs. Für den Bundestag erarbeitete er 1996 das Behördengutachten über den linken Rechtsanwalt Gregor G. Dem Ohnesorg-Schütze Karl-Heinz Kurras entriß er die Maske und machte ihn als schäbigen IM und SED-Mitglied kenntlich.

Im Zuge einer Arbeit über die Auslandsabteilung der Stasi gelang ihm die Enttarnung zweier dicker Fische: Das Ehepaar „Bob“ und „Petra“ spionierte seit den siebziger Jahren als Angestellte der Bundes-SPD für die Ostzone. Derselbe „Bob“ ist heute prominentes Mitglied der SED-Nachfolgepartei in NRW. In der Publikation nannte Müller-Enbergs die Klarnamen der IMs. Diese waren darüber „not amused“ und erhoben Unterlassungsklage.

Müller-Enbergs Dienstherr Roland Jahn stellte sich nun nicht nur nicht schützend vor seinen Mitarbeiter, sondern fiel ihm auch noch in den Rücken: Jahn leistete die verlangte Unterlassungserklärung. Sein Referent indes hielt sich trotz des Dolchstoßes aufrecht und stand weiterhin zu seinen Erkenntnissen. Die gegen ihn in Stellung gebrachte Hauptsacheklage beim Landgericht Hamburg zog das Ehepaar, wie eben bekannt wurde, zurück. Wie schön, daß sich Tapferkeit der Guten auch mal auszahlt.

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