© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Entblößte Brüste als Kampfmittel
Sex verkauft sich: Barbusige Agitprop-Frauen der Femen-Gruppen sichern sich mediale Aufmerksamkeit
Ellen Kositza

Da wäre eine Gruppe junger Männer; sie sind strikt dagegen. Ihre Botschaft haben sie auf Plakate geschrieben, darunter strecken sie mit aggressivem Gestus ihre Geschlechtsteile hervor. Sie haben sich schön gemacht. Bauchmuskeln wie geölte Waschbretter, gepflegtes Brusthaar, ansprechend gestyltes Haupthaar. Die Frauenmagazine fahren drauf ab, Männer finden es mutig und unterstützen das Anliegen. Welches, noch mal?

Diese Szenerie ist absurd. Sie ist irreal. Unter umgekehrten „Vorzeichen“ funktioniert es: Seit fünf Jahren ziehen sich die jungen Agitationspropagandistinnen der ukrainischen Gruppe „Femen“ öffentlich aus. Gegen Dominique Strauß-Kahn, gegen Berlusconi, gegen Kapitalismus, gegen den abtretenden Papst, gegen Religion allgemein, gegen „das System“. Barbusig fällen sie mit Kettensägen Kruzifixe, hämmern auf die ausgestellten neuen Glocken von Notre Dame ein oder protestieren („Autos für Frauen! Kamele für Männer!“) gegen das Fahrverbot für Frauen in Saudi-Arabien. Freilich nicht vor Ort, sondern in Kiew. Inhaftiert wurden die Oben-ohne-Schreihälse bislang nicht, 2011 berichteten sie von einer „Verschleppung“.

Die Kampagnen zünden. Jedenfalls, wenn man die weltweite mediale Aufmerksamkeit (die weniger den Parolen als den Brüsten gilt) als Erfolg werten will. Ganz ohne Humor und Ironie, allein durch die Mischung aus Aggression und reizend präsentierter Nacktheit.

Wen interessiert „gender“? Sex verkauft sich!

Hübsche Brüste bewegen, und es erscheint paradox, daß ausgerechnet das als prüde gescholtene Feministenmagazin Emma die osteuropäischen Nackedeis mit ihren solariumgebräunten Körpern, ihren artig rasierten Achselhöhlen, den Stöckelschuhen und den stark geschminkten Gesichtern als Galionsfiguren für einen Aufruf nutzt: „Femen aller Länder, vereinigt euch!“

Die Leserinnen reagierten wenig amüsiert. Ein Protest, der auf Pornoklischees zurückgreife, wirke billig und die Präsentation „nackter Tatsachen“ sorge bei den „Männern der Welt lediglich für feuchte Träume und Macho-Kneipendialoge“. Inna Schewtschenkos nackte Femen-Brüste aber (dazu eine Blütenkrone auf dem Kunstblondhaar und eine entschlossen hochgereckte Faust) wurden 2012 als World Press Photo ausgezeichnet.

Die Legende will, daß die Aktivistinnen studieren und sich aus tristen Kiewer Plattenbauten rekrutieren. Über die Hintermänner und Geldgeber der jetsettenden Damen ist wenig bekannt. Manche sagen, Putin stecke dahinter (um die ukrainische Politik lächerlich zu machen), andere vermuten Julia Timoschenko als Einflüsterin, immerhin haben die Femen neben ihren sekundären Geschlechtsmerkmalen einen Blütenkranz zum Symbol erkoren, den sie über ihren aufgerissenen Mündern auf dem Haupt tragen. Timoschenkos Haarkranz liegt assoziativ nahe.

Möglicherweise stehen westliche Stiftungen und „Denkfabriken“, die bereits die weißrussische „Jeans“- und ukrainische „Orange“-Revolutionen sowie ähnliche Zersetzungsversuche in autoritären Staaten angezettelt haben, hinter den Nacktprotestlerinnen. Als ein Sponsor fungiert jedenfalls der schwerreiche Musikproduzent Helmut Josef Geier alias „DJ Hell“.

Für Geldfluß dürfte auch der Internetladen der Femen sorgen. Auf der Hauptseite prangt eine Barbusige mit einer bluttriefenden Sichel in der Hand. Im „Shop“ darf der Sympathisant Baumwollhemden mit der Aufschrift „In Gay we trust“ erwerben oder ein anderes, das ein stilisiertes Busenweibchen mit erigiertem Mittelfinger zeigt: „Fuck the System!“ Teurer (100 US-Dollar) kommt ein Aufdruck aus Künstlerhand zu stehen. Hier verübt eine magere Furie mit Riesenbrüsten einen Anschlag auf Kruzifixe, die aus einem braunen Haufen herauswachsen. Für 70 US-Dollar gibt es sogenannte Boobs prints, farbige Brustabdrücke. Der Käufer darf individuell wählen, von welcher Femenbrust das Kunststück stammen soll.

Zeternde Blondinen, Hinweise auf drohende Gefangenschaft, dazu entblößte Brüste als Kampfmittel – kennen wir das nicht? Genau: Der römische Geschichtsschreiber Tacitus hat vor rund 2000 Jahren über die furiosen Weiber der Germanen berichtet, die mit ebendiesen Mitteln die Schlachtreihen ihrer Männer zu mobilisieren pflegten.

Passenderweise will nun eine der prominenten Femen, Aleksandra Schewtschenko, in Deutschland ein „Trainingszentrum“ aufbauen. Ein paar Aktionen kann die im vergangenen Sommer gegründete Sektion „Femen Germany“ bereits verbuchen. Zur Berlinale stürmten sie den roten Teppich. Das war gegen Genitalverstümmelung gerichtet.

Für heftige Kritik aus innerfeministischen Reihen sorgten andere Aktionen: In der Hamburger Ikea-Filiale hatten sich die Frauen schwarzrotgoldene Brüste angepinselt und ein Sofa besetzt, um die Tilgung von Frauen im saudi-arabischen Ikea-Katalog zu beklagen (Schild: „Allah created me visible“). Für einen Protestzug im September vor dem Brandenburger Tor hatten die „Germany“-Femen sich schwarze Vollverschleierungen auf die Körper gemalt (Schild: gegen „Religious Oppression“). Zuletzt gab es Ende Januar eine Kampagne unter der eleganten Parole „Fickt die Sexindustrie“ auf der Hamburger Herbertstraße, einem Rotlichtbezirk. Mit Hitlerbärtchen und zum „deutschen Gruß“ gereckten Armen zogen die deutschen Femen durch den Rotlichtbezirk, auf dessen Eingang sie die zynische Aufschrift „Arbeit macht frei!“ angebracht hatten. Schilder prangerten die Legalisierung von Prostitution an: „Sexindustry ist Fachism!“

Linke Feministinnen hielten bereits die ersten Aktionen für „rassistisch“ und äußerten ihre Empörung nun in einem offenen Brief: Beklagt wird zum einen die Verwendung der deutschen Nationalfarben, zum anderen, daß Frauen ohne Brüste, sogenannte Trans*menschen ausgegrenzt würden. Bedenklich an der Herbertstraßen-Aktion fanden die Linksemanzen, daß sie kurz nach dem Holocaust-Gedenktag stattgefunden hatte.

Mit der Parole „Prostitution is genocide“ sei Prostitution mit der Shoa und dem Völkermord an Sinti und Roma gleichgesetzt worden: „Wir wären nicht überrascht“, schreiben die antirassistischen Sexismuskritikerinnen, „euch am 13. Februar in Dresden zu sehen, mit euren Fackeln, Seite an Seite mit Alt- und Neonazis, in Gedenken an die vielen durch die Alliierten getöteten Frauen.“

Über das, was wir heute Stutenbissigkeit nennen, hat uns Tacitus nichts überliefert.

Foto: Protestaktion von „Femen“-Aktivistinnen vor der Kathedrale Notre-Dame in Paris gegen den Papst, die Kirche und Religion (12. Februar)

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