© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Spiel mit dem Feuer
Südtirol: Bei der Wahl in Italien drohen der seit 1945 regierenden Südtiroler Volkspartei Sitzverluste / Kritik an Kooperation mit Bersanis Linkspartei
Reinhard Liesing

Mit lobenden Worten für den „Duce“ sorgte Michaela Biancofiore für die nötige Wahlkampfstimmung. Benito Mussolini habe in Südtirol Kinderleben gerettet, behauptete Silvio Berlusconis PDL-Parteigängerin in Bozen, denn erst unter dem Faschismus seien Kanalisation und ordentliche Toiletten heimisch geworden.

Solche und ähnliche Einlassungen kamen früher vornehmlich von Politikern der extremen italienischen Rechten. Zwischen Salurner Klause und Brenner, wo der „schwarze“ Bodensatz des (Neo-)Faschismus nicht auf Wahlkampfzeiten beschränkt bleibt, sondern auch im politischen Alltag ausgeprägt in Erscheinung tritt, waren derartige Äußerungen für die Südtiroler Volkspartei (SVP), die seit 1945 ununterbrochen mit absoluten Mehrheiten – der Stimmen (bis 2008) und der Mandate – regierte, stets Garantie für sichere Wahlsiege gewesen. Das ist heute anders.

Die Wahl von Kammer und Senat in Rom am 24./25. Februar vor Augen, schaut die SVP in den Abgrund. Jüngste Umfragen besagen, daß sie bei den Parlamentswahlen auf nur noch 32 Prozent kommen dürfte. Damit könnte sie keinen Abgeordneten mehr in die Kammer entsenden, denn dafür müßte sie mindestens 40 Prozent erreichen. Kommt es so, wäre es der Tiefschlag für die erfolgsgewohnte Partei schlechthin, die über viele Legislaturperioden hin stets zwei, oft drei Kammerabgeordnete stellte. Den im Aufwind befindlichen Freiheitlichen, der stärksten – rechts der SVP angesiedelten – Oppositionspartei, verheißen die Demoskopen 24 Prozent.

Ähnlich düster sieht es für die SVP im vornehmlich von Italienern bewohnten Wahlkreis Bozen-Unterland hinsichtlich des Erringens eines Mandats für den römischen Senat aus. Dort warf sie sich dem vom einstigen Kommunisten Pier Luigi Bersani geführten linken Partito Democratico (PD) an die Brust, dessen parteifreier Kandidat Francesco Palermo den Senatssitz nur mit Hilfe der SVP-Stimmen erringen kann. Pferdefuß: SVP-Chef Richard Theiner schloß den Wahlpakt mit der Begründung, „um der Aushöhlung der Autonomie durch Mario Monti“ zu entgehen. Dies halten selbst eingefleischte Parteigänger Theiners für einen fundamentalen Fehler, ein „Trojanisches Pferd“.

Hinzu kommt, daß PD-Chef Bersani, der in Rom nur als Koalitionspartner Montis – mit ihm hat die SVP hinsichtlich Mißachtung des Autonomiestatuts schlechtere Erfahrungen gemacht als zuvor mit Berlusconi – in der Lage sein dürfte, eine Regierung zustande zu bringen, wie dieser davon spricht, „Privilegien“ der Regionen mit Sonderstatut seien abzubauen. In geglätteter Form brachte dies ein Sprecher der Monti-Liste „Scelta Civica – Con Monti per l’Italia” zum Ausdruck: Man wolle „in der kommenden Legislaturperiode gemeinsam mit dem Experten Palermo die Überarbeitung des Autonomiestatuts in Angriff nehmen“. Palermo selbst bekundete, die Südtirol-Autonomie sei vom „ethnischen Ballast zu befreien“.

Solche Aussagen müßten eigentlich, wie bei Montis unsäglicher Einlassung zuvor, wonach es sich hinsichtlich der Südtirol-Autonomie „um eine rein inneritalienische Angelegenheit“ handele, alle Warnlampen in der SVP aufleuchten lassen. Weit gefehlt. Nur die langjährige SVP-Senatorin Helga Thaler-Außerhofer, die sich der Jahrzehnte geltenden „Blockfreiheits“-Maxime ihrer Partei, gegenüber politischen Lagern Italiens Äquidistanz zu wahren, verpflichtet fühlt, betätigte sich als einsame Warnerin: Die von der Parteiführung gebilligte Vereinbarung mit dem PD nannte sie einen „Wahnsinnspakt“.

Die Opposition hingegen ist aufgebracht und reagiert empört bis sarkastisch auf die „gefährliche Drohung“ (Ulli Mair, Freiheitliche) oder sieht darin wie Eva Klotz von der Süd-Tiroler Freiheit einen „weiteren Schritt der SVP nicht nur zur politischen, sondern auch geistig-kulturellen Einverleibung in Italien“.

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