© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/13 / 22. Februar 2013

Unverzüglich, ab sofort
Urteil: Das Bundesverfassungsgericht hat das Verbot der „Sukzessivadoption“ in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gekippt
Taras Maygutiak

So wirklich gespannt war am Dienstag vor der Urteilsverkündung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe niemand, wie denn nun in den Fällen der sogenannten Sukzessiv-adoption zweier gleichgeschlechtlicher Paare, über die der Erste Senat verhandelt hatte, geurteilt würde. Erwartet hatten die meisten Beobachter eine weitere Stärkung der Gleichstellung von homosexuellen Paaren. Und wie vermutet, fiel das Urteil dann auch aus: Das Gericht erklärte den Paragraphen 9 Absatz 7 des Lebenspartnerschaftsgesetzes für verfassungswidrig. Diese Vorschrift hatte es bisher ausgeschlossen, daß ein Lebenspartner das zuvor vom anderen Lebenspartner angenommene Kind ebenfalls adoptiert.

Nach bislang geltendem Recht war gleichgeschlechtlichen Paaren im Gegensatz zu Ehepaaren lediglich die sogenannte Stiefkindadoption erlaubt. Brachte also ein Partner ein leibliches Kind in die gleichgeschlechtliche Partnerschaft ein, so konnte der Partner das eingeschränkte Sorgerecht beantragen. „Die Erklärung der Verfassungswidrigkeit erfolgt wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) aus den Perspektiven des Kindes und des adoptionsbereiten Lebenspartners“, sagte Vizepräsident Ferdinand Kirchhof, Vorsitzender des Ersten Senats, in der Urteilsbegründung. Der Schutz der Familie und die Grundrechte der Eltern und des Kindes aus den Artikeln 2 und 6 seien hingegen von der Norm gewahrt worden, so Kirchhof.

Zwei konkrete Fälle waren in dieser rechtlichen Frage in Karlsruhe zur Entscheidung angestanden. Eine Beschwerdeführerin hatte ihre Grundrechte nach den Artikeln 3 (Gleichheitssatz) und Artikel 6 (Schutz der Familie) verletzt gesehen. Zudem hatte sie sich gegen sämtliche Beschlüsse der Fachgerichte in der Angelegenheit sowie die nun für verfassungswidrig erklärte Vorschrift aus dem Lebenspartnerschaftsgesetz gewendet. Ihre Partnerin, mit der sie seit 2005 zusammen ist, hatte ein Kind aus Bulgarien adoptiert. Adoptionsanträge ihrerseits hatten die Gerichte bisher alle abgelehnt. Zuletzt das Oberlandesgericht Hamm.

Der zweite Fall war ähnlich gelagert und als Normenkontrollverfahren verhandelt worden. Hier ging es um ein gleichgeschlechtliches Paar aus Hamburg und ein Kind aus Rumänien. Auch hier hatten in den ersten Instanzen Amts- und Landgericht einen Adoptionsantrag abgelehnt.

Das hanseatische Oberlandesgericht hatte den Fall jedoch in Karlsruhe vorgelegt. Aus der Perspektive des adoptierten Kindes eines Lebenspartners sehe der Senat einen „Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz“ darin, „daß sowohl adoptierte Kinder eines Ehepartners vom anderen Ehepartner als auch leibliche Linder eines Lebenspartners vom anderen Lebenspartner angenommen werden können, während einem adoptierten Kind eines Lebenspartners die Möglichkeit versperrt ist“, so Kirchhof. Und das nur deswegen, weil der Adoptionswillige ein Lebenspartner und das zu adoptierende Kind vom anderen Lebenspartner angenommen worden sei. „Eine Rechtfertigung der unterschiedlichen Adoptionsfälle ergibt sich nicht aus der Gleichgeschlechtlichkeit der Lebenspartner“, stellte der Vizepräsident klar. Eine Adoption verschaffe dem Kind „rechtliche Sicherheit und materielle Vorteile in der Personensorge, im Unterhalts- und Erbrecht“, so das Gericht. Und zwar gleichermaßen, ob es sich nun um eine Ehe handele oder eine Lebenspartnerschaft. Außerdem gehe das Gericht davon aus, daß die behüteten Verhältnisse einer eingetragenen Lebenspartnerschaft das Aufwachsen des Kindes ebenso fördern könnten wie die einer Ehe. Bedenken, die sich gegen das Aufwachsen von Kindern in gleichgeschlechtlichen Elterngemeinschaften richten, seien in „überwiegender Zahl der sachverständigen Stellungnahmen“ zurückgewiesen worden, heißt es in der Urteilsbegründung.

Aus Sicht des adoptionswilligen Lebenspartners sah das Gericht den Gleichheitssatz des Artikels 3 durch die gekippte Vorschrift ebenfalls verletzt. „Denn ihm wird ohne sachliche Rechtfertigung die rechtliche Möglichkeit einer Sukzessivadoption verwehrt“, erläuterte Kirchhof. Stellt das Verfassungsgericht fest, daß eine gesetzliche Regelung gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 verstößt, erläßt das Gericht in der Regel eine „Unvereinbarkeitserklärung der Norm“, weil dem Gesetzgeber mehrere Optionen zur Beseitigung der Grundrechtsverletzung zur Verfügung stehen. Soll heißen, das Gericht hätte dem Gesetzgeber beispielsweise eine Frist geben können, den für verfassungswidrig erklärten Paragraphen zu ändern. Das Gericht stellte jedoch klar, daß das Urteil sofort Gültigkeit hat: „Die Anordnung, daß eine Sukzessivadoption ab sofort möglich ist, hält der Senat wegen der mit ihrer Versagung verbundenen, unzumutbaren Nachteile für notwendig“, führte Kirchhof aus.

Allerdings stand in diesem Verfahren nicht die Überprüfung der Frage an, ob der Ausschluß eingetragener Lebenspartner von der sogenannten gemeinschaftlichen Adoption verfassungskonform ist.

Foto: Mama, Mama und zwei Kinder: Bedenken sind überwiegend zurückgewiesen worden

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