© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Er hat unangenehmen Fragen geantwortet
Der Soziologe Robert Hepp wird 75 / Er warnte früh vor dem demographischen Niedergang der Deutschen, der heute jedermann offenkundig ist
Nils Wegner

Es ist noch gar nicht lange her, daß die Phrase vom „demographischen Wandel“ allmählich in der veröffentlichten Meinung präsent wurde. Ebenso jung ist die provokative Anwendung rechter Wortführer des viel älteren Terminus „Volkstod“ auf diese frappierende Entwicklung.

Der damalige Ordinarius für Soziologie an der Universität Osnabrück, Robert Hepp, war bereits 1988 sowohl in der Weitsicht als auch in der Schärfe der Wortwahl deutlich weiter: Seine Philippika wider die dräuende Katastrophe trug den Titel „Die Endlösung der Deutschen Frage“ und bezog sich somit terminologisch in provokantester Manier auf die NS-Bezeichnung des Judenmordes; entsprechend sollten auch die Reaktionen ausfallen, bis hin zum Vorwurf eines „völkischen Nationalismus“ (Peter Glotz). Nichtsdestoweniger kommt Hepp – vom heutigen Standpunkt aus – das Verdienst zu, als erster deutscher Wissenschaftler die absteigenden Bevölkerungszahlen vorhergesehen und „mit erbarmungsloser Schärfe“ (Armin Mohler) thematisiert zu haben. Seine Vorschläge zur Gestaltung einer „politischen Demographie“ waren jedoch offiziell unerwünscht und sollten verhallen, ohne Gehör zu finden.

Robert Hepp wurde am 19. Februar 1938 im oberschwäbischen Langenenslingen als zweites von drei Kindern geboren und mußte als Sechsjähriger miterleben, wie sein Vater am 21. Juli 1944 wegen seiner Äußerungen zum Hitler-Attentat in Gestapohaft kam. Nach dem Abitur im März 1957 schrieb Hepp sich an der Universität Tübingen zum Studium der Geschichte und Philosophie ein. Das Wintersemester 1958/59 verbrachte er an der Pariser Sorbonne und nahm Kontakt zu Armin Mohler auf, der sich damals als Korrespondent der Zeit in der französischen Hauptstadt aufhielt. Mohler war es, der Hepp in den „Kreis“ Carl Schmitts und in „völkerpsychologische“ Themen einführte, was sich entscheidend auf den weiteren Lebensweg des jungen Studenten auswirken sollte: Nach eigener, bissiger Aussage wäre Robert Hepp ansonsten „vermutlich Vikar in Savoyen geworden“.

Nach Deutschland zurückgekehrt, machte Hepp alsbald gemeinsam mit seinem älteren Bruder Marcel als Professorenschreck von sich reden. Ihre aktionistische Studentengruppe „Katholische (später: Konservative) Front“ machte der späteren APO Sit-ins und Go-ins vor. Dabei ging man so weit, daß Robert Hepp nach einem scharfen Angriff auf den Tübinger Politologen Theodor Eschenburg der Universität verwiesen wurde. Sein Studium setzte er daher in Erlangen fort, wohin ihm Marcel nach Abschluß des ersten Staatsexamens folgte und sie gemeinsam die „Front“ weiterführten. Bis 1962 studierte Hepp dort beim nationalkonservativen Ordinarius für Geistesgeschichte Hans-Joachim Schoeps und verfaßte im gleichen Jahr – im Alter von 24 Jahren – einen aufsehenerregenden Leserbrief an die Zeitschrift Der Monat, in dem er kompromißlos und radikal mit dem Begriff „konservativ“ abrechnete (JF 36/12).

Ebenfalls bei Schoeps wurde er 1967 über „Politische Theologie und theologische Politik. Studien zur Säkularisierung des Protestantismus im Weltkrieg und in der Weimarer Republik“ promoviert. Eine unter Schülern Carl Schmitts populäre Anekdote besagt, Hepp habe im Rigorosum bei einer ihm unangenehmen Frage auf ein angeblich jüngst erschienenes Buch verwiesen, das er sich jedoch im selben Moment ausgedacht habe – eine Zementierung seines Rufs, „schlagfertig und kaltschnäuzig“ (Hans-Dietrich Sander) zu sein. Die Dissertation wurde nie offiziell verlegt und ist bis heute nur in gekürzter Form einsehbar.

In den Folgejahren bekleidete der „Haltungs-Schmittianer“ (Dirk van Laak) verschiedene akademische Funktionen und betrieb vor allem eine scharfe Kritik des Sozialstaats, in dem er einen Versuch der Parteipolitik sah, die Gesellschaft ruhigzustellen und dem „Ernstfall“ auszuweichen. Von 1977 bis 1994 lehrte er Soziologie in Osnabrück, danach bis zu seiner Emeritierung 2006 an der Hochschule Vechta. Hepp, der stets einen Hang zur tabubrecherischen Zuspitzung hatte, erregte in dieser Zeit nicht nur mit der „Endlösung der Deutschen Frage“ Aufsehen, sondern legte seinen Studenten auch geschichtsrevisionistische Texte vor; ein soziologisches Experiment, zu dem er festhielt, daß die Reaktionen denen primitiver Völker auf Verstöße gegen ihre religiösen Dogmen entsprächen. Was Kritiker dazu animierte, Hepp prompt in den Ruch der Holocaustleugnung zu bringen, wogegen er sich juristisch erfolgreich zur Wehr setzte.

Seit den neunziger Jahren hat sich Robert Hepp weitgehend aus den aktiven politischen Debatten zurückgezogen, gelegentliche Aufsätze für diese Zeitung sind eher als Ausnahme von der Regel zu werten. Angesichts seiner langen Präsenz als „Rufer in der Wüste“ ist diese Skepsis durchaus nachvollziehbar. Zu seinem anstehenden 75. Geburtstag ist dieser Größe der deutschen Nachkriegsrechten zu wünschen, daß ihm sein wacher Geist und seine Angriffslust noch lange erhalten bleiben mögen.

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