© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

CD: Heino
Gerockte Haselnuß
Henning Hoffgaard

Heino. Seit gefühlten 150 Jahren steht der Name bei Verächtern des Volksmusikanten als Synonym für Spießigkeit, Langeweile und Sonnenbrillen. Der Mann galt vielen als die personifizierte Eichenschrankwand mit der Ausstrahlung eines Wackeldackels. Nun ist der 74jährige, der irgendwie nie weg war, wieder da. „Mit freundlichen Grüßen“ heißt sein neues Album, das sogleich die Charts stürmte. Begleitet von einer genialen Medienkampagne, inszenierter Rockerkrieg in der Bild-Zeitung inbegriffen, hat sich der Volksmusiker über Nacht neu erfunden (JF 7/13).

Rammstein, Nena, Die Ärzte, Clueso, Oomph!, Peter Fox. Heino hat sie alle gecovert. Schmissiger Big-Band-Klang und dann natürlich diese unverwechselbare herrlich rasselnde Baritonstimme. Kurz: Das neue Album knallt, macht Spaß, ist einfach ein Ohrenschmaus. Die Grundkomposition der Originalstücke mußte der Sänger schon aus urheberrechtlichen Gründen unverändert übernehmen. Geschadet hat das nicht.

Wenn Heino „Junge“ von den Ärzten schmettert, mag man gar nicht glauben, daß die Punk-Gruppe damit eigentlich die vermeintliche Spießergesellschaft anprangern wollten. „Und wie du wieder aussiehst – Löcher in der Hose, und ständig dieser Lärm.Und dann noch deine Haare, da fehlen mir die Worte – mußt du die denn färben?“

Dem blonden Sänger mit der Sonnenbrille ist die elterliche Fürsorge in jeder Sekunde anzumerken. Er verdreht die Aussage der Ärzte damit frech ins Gegenteil. Auch bei schnelleren Songs wie etwa Rammsteins „Sonne“ macht er eine gute Figur. Statt stahlharter Gitarrenwand gibt es Trompeten und Keyboard.

Heino imitiert nicht einfach den Gesang, er drückt den Liedern seinen eigenen Stempel auf. Aus eher leichter Kost wie Keimzeits „Kling Klang“ wird so ein mitsingkompatibler Gassenhauer erster Klasse. Allein bei Nenas „Leuchtturm“ und Cluesos „Gewinner“ gerät der Meister ins Straucheln. Die klingen im Original einfach ehrlicher.

Bedenken könnte der „klassische“ Heino-Anhänger allerdings bei Marius Müller-Westernhagens „Willenlos“ bekommen. Wenn der Volksmusik-Barde etwa „Ich lutschte an ihrem Zeh“ zum besten gibt, dürfte das so manche ältere Dame, die eher der Generation „Schwarzbraun ist die Haselnuß“ angehört, verstören. Aber Heinos Haselnuß ist eben nicht mehr schwarzbraun, sondern rockt derzeit wohl diverse Karnevalsfeiern. Und genau dafür sind die Kompositionen auch gedacht. Künftig wird kaum noch eine Familienfeier ohne das von Heino so betitelte „verbotene Album“ auskommen. Warum auch nicht?

Das sauber arrangierte und exzellent produzierte Album liefert dennoch genau das, was es verspricht: 100 Prozent Heino. Wer sich von der Live-Qualität der Lieder überzeugen will, sollte unbedingt eines der frisch angekündigten Konzerte besuchen. Berlin, Köln, Mannheim und Hamburg stehen Anfang April auf dem Programm.

Seine Bekanntheit wird er dadurch kaum steigern können. 99 Prozent der Deutschen kennen ihn schon. Werte, von denen so mancher Politiker nur träumen kann. Den „jungen Leuten“ hat er es auf jeden Fall gezeigt. Volksmusik für die Mitte der Gesellschaft.

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