© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Zeitschriftenkritik: Etappe
Die Entlarvung letzter Weisheiten
Werner Olles

Die moderne Massendemokratie zeichnet sich unter anderem durch die Fähigkeit aus, ihr von Widersprüchen geprägtes Dasein als einzig denkbare und natürliche Ordnung erscheinen zu lassen und somit als das wirkliche Leben schlechthin. Dieser Suggestionsmacht etwas entgegenzusetzen, das sich nicht in ordinären Phrasen oder scheinbar tiefsinnigen Phantasien erschöpft, gelingt in einer Zeit der sakrosankten Leerformeln nur ganz wenigen Periodika.

Zu diesen zählt die von Heinz-Theo Homann herausgegebene Etappe (Untertitel: „Organon für Politik, Kultur & Wissenschaft“), ein in „zwangloser Folge“ erscheinendes Magazin, das sich nicht lange mit tagespolitischen Sprachregelungen und demokratischen Treueschwüren aufhält. Während andere sich an der Entwirklichung der Wirklichkeit abarbeiten und Heerscharen von sogenannten „Querdenkern“ aufbieten, um ihre frömmelnde Weltoffenheit zur Schau zu stellen, geht Sven K. Knebel in seinem Leitartikel „GermanCall – Adnoten aus der Hauptstadt“ (21. Etappe) der gesellschaftlichen Krise auf den Grund und entlarvt die Phrasen der Kanzlerin („Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa“) als aufgeklärtes Geschwätz im Endstadium. Seit über 200 Jahren werde in Deutschland die Kleinstaaterei unaufhörlich schlechtgemacht und als überholt hingestellt, heute habe sich die Politik angewöhnt, „einseitig in Begriffen der wirtschaftlichen und staatlichen Integration zu immer größeren Einheiten über den Tellerrand des Krisenmanagements hinaus zu denken“. Doch ist dies nichts als das sich ins Delirium versetzende Raunen politischer Vernunft, das sich einmal mehr als der Weisheit letzter Schluß intoniert. Indes jene versiegt. Mehr sagen derartige Sprüche aus den Chefetagen bundesrepublikanischer Politik, die man irgendwo zwischen bezeichnendem Sprechen und schlichter Unwahrheit verorten kann, nicht aus.

Ein Lesegenuß besonderer Art ist Thomas Kuzians Aufsatz „Georg Lukács und der Goethepreis“. Der Autor analysiert das folgenreiche Verhältnis von Nietzsche und Marx beim jungen Lukács und beschreibt nebenbei, wie es dank der Machenschaften der linksliberalen Kulturschickeria dazu kam, daß der bislang eher konservativen und bürgerlichen Kulturträgern vorbehaltene Goethepreis der Stadt Frankfurt im Jahre 1970, „als die derben Possen der westdeutschen Jugend ihren blutigen Höhepunkt anzustreben begannen“, ausgerechnet an einen ehemaligen kommunistischen Politkommissar und Massenmörder verliehen wurde. Ein besonderes Schmankerl ist dabei der Anhang „Die republikanische Propaganda“ von Georg Lukács, der hier erstmals auf deutsch zu lesen ist.

Hingewiesen werden muß auch auf Dirk Buddes Beitrag über Konstantin P. Pobedonoszev (1827–1907), jenen russischen Staatsmann, Philosophen und Befürworter einer national-religiösen Autarkie, der seine Kritik an der liberalen Demokratie mit den berühmt gewordenen Worten „Die große Lüge unseres Jahrhunderts“ einleitete.

Kontakt: Etappe. Postfach 30 04 24, 53184 Bonn. Einzelheft: 12 Euro, Abo zu drei Ausgaben: 30 Euro. www.etappe.org

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