© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Abgeschwollen, vorerst
Institut für Staatspolitik: Botho Strauß’ „Bocksgesang“ ernstgenommen
Baal Müller

Nach dem Mauerfall bröckelten für einen geschichtlichen Augenblick auch im Westen die geistigen Mauern. Selbst wer die grünenden Risse gesehen hat, schüttelt im Rückblick den Kopf und zweifelt an seiner Erinnerung; wer aber zwischen den späteren Mauern der Alternativlosigkeit aufgewachsen ist, wurde schon um die Ahnung, daß alles ganz anders sein könnte, betrogen. Damals schienen auch die westlichen Parteigänger des Sozialismus von dessen Trümmern begraben zu werden, doch die Krise dauerte nicht lange; blitzschnell holten sie ihre roten Fahnen ein und hißten die blaue mit den gelben Sternen, und diejenigen, die sich betrügerisch als konservativ vermarkteten, hatten um so leichteres Spiel bei der angestrebten Auflösung Deutschlands in Europa.

Trotzdem konnte 1993 ein Essay wie der „Anschwellende Bocksgesang“ im Spiegel erscheinen (JF 7/13). Seit Botho Strauß’ Philippika gegen den „politisch-technischen Selbstüberwachungsverein“ hat kein im Kulturbetrieb Etablierter in so glasklaren Worten über die trostlose „Beständigkeit des sich selbst korrigierenden Systems“ und die „Hypokrisie der öffentlichen Moral“ gesprochen, die scheinbare Freundlichkeit dem Fremden gegenüber als Haß auf das Eigene entlarvt und sich zum Rechtssein als Auflehnung „gegen die Totalherrschaft der Gegenwart“ bekannt.

Am 8. Februar versammelten sich gut vierzig, meist jüngere Leute, die Strauß’ Aufforderung „zur Sezession, zur Abkehr vom Mainstream“, ernstnehmen, in den Räumen des Instituts für Staatspolitik (IfS) in Berlin. Der Anlaß dieses „1. Staatspolitischen Salons“ war das zwanzigjährige Erscheinungsjubiläum des „Bocksgesangs“, aber bei einem Abend soll es nicht bleiben: Alle zwei Monate sollen weitere gesellige Salons veranstaltet werden. Interessenten können den Leiter des Instituts, Erik Lehnert, unter institut@staatspolitik.de kontaktieren.

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