© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Euro-Flucht ins Betongold
Frühjahrsgutachten: Die Immobilienwirtschaft in Deutschland floriert / Im Mietwohnungsbau droht bislang keine Investmentblase
Bernd-Thomas Ramb

Die deutsche Immobilienwirtschaft frohlockt. Die nichtstaatlichen Wohnungsbauinvestitionen seien im dritten Quartal 2012 um 2,5 Prozent gestiegen, vermeldet das Frühjahrsgutachten des Rates der Immobilienweisen, das auf dem Immobilienkongreß „Quo Vadis“ in Berlin vorgestellt wurde. Nicht ohne auf den Kontrast zu verweisen, den die Prognosen zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vermitteln: Laues Wirtschaftswachstum von gerade einmal 0,4 bis (eher unwahrscheinlichen) ein Prozent. Die Wohnungswirtschaft wird als potentieller Wachstumsmotor gepriesen, der nicht nur die Gesamtwirtschaft vor Rezessionsgefahren schützen, sondern als Musterbeispiel wirtschaftlichen Aufschwungs dienen könnte.

Bei genauer Betrachtung ist die Immobilienentwicklung in Deutschland allerdings nicht so umspannend optimistisch einzuschätzen. Gravierende Unterschiede bestehen zunächst in der regionalen Entwicklung. Der Osten zeigt ein anderes Bild als der Westen. Zudem entwickeln sich ländliche Gebiete entgegengesetzt zu den städtischen Metropolen. Die gesamtdeutschen Mittelwerte verbergen dies. Der Hinweis des Marktforschungsinstituts Empirica, bei Kauf- und Mietpreisen sei lediglich ein schwacher Mietpreisanstieg von 2,4 Prozent festzustellen, der nur knapp über der allgemeinen Inflationsrate liege, verdeckt deshalb die regionalen und strukturellen Preisprobleme bei den Wohnungsmieten.

Generell ist festzustellen: Auf dem Lande sinken die Mietpreise, in den Ballungsgebieten steigen sie. Das hängt nicht zuletzt mit den steigenden Verkehrskosten zusammen, die eine etwas teurere Mietwohnung in der Stadt, vor allem in der Nähe des Arbeitsplatzes, interessant machen. Auch das Ost-West-Mietpreisgefälle läßt sich auf die Verlagerung der Arbeitsplätze zurückführen. Eine Trendwende, vor allem die Neuerrichtung von Produktionsstätten in den jüngeren Bundesländern, aber auch eine Senkung der Verkehrskosten ist nicht in Sicht.

Die Landflucht wird zudem durch das Phänomen verstärkt, daß nicht nur junge Ledige das städtische Leben attraktiv finden. Immer mehr junge Familien sehen ihr Lebensideal nicht weiter in den Grüngürteln mit Landluft. Nach dem Studium in der Stadt, den ersten Jobs, der Partnerfindung und Heirat folgt ohne Ortswechsel die Aufnahme des Familienlebens. Für die Kinder bietet der städtische Bereich eher Kindertagesstätten, Krabbelstuben und Horte als das 50 Kilometer entfernte Dorf. Und unter dem Pesthauch des Smogs leiden die modernen Städte auch nicht mehr so stark wie früher.

Die Stadt Frankfurt am Main berichtet stolz: „Es werden so viele Babys geboren wie seit Ende der 1960er Jahre nicht mehr.“ 2011 waren es immerhin 600 Babys mehr als Todesfälle – trotz steigender Lebenserwartung. Um Platz für den Neubau der fehlenden Familienwohnungen zu schaffen, werden sogar Bordellviertel abgerissen – eine familienökonomisch doppelt logische Reaktion. Weil auch keine Grünanlage für den Wohnungsneubau geopfert werden soll, wird in Frankfurt jede noch nicht bebaute Restfläche heftig umworben. In anderen Ballungsgebieten dürfte die Lage ähnlich sein: Grün soll die Stadt bleiben, aber auch immer mehr Wohnimmobilien bereitstellen. Die Grundstückseigentümer profitieren von den drängenderen Kaufangeboten. Das erhöht zunächst zwangsläufig die Baulandkosten, in der Folge aber auch die Baukosten insgesamt.

Die Preiserhöhungen bei den Wohnimmobilien sind im städtischen Bereich überwiegend durch die gestiegene Nachfrage aufgrund der Wanderbewegungen vom Land in die Stadt erklärbar, aber nicht nur. Die Euro-Währungsrettungsproblematik verstärkt den Preisauftrieb. Die niedrigen Hypothekenzinsen und der künftig befürchtete weitere Anstieg der Baukosten lassen die Flucht ins „Betongold“ als ideale Vermögensanlage glänzen.

Schon wird die Gefahr einer Immobilienblase an die Wand gemalt. Im Gegensatz zu Irland und Spanien ist der deutsche Immobilienmarkt jedoch weit von solchen Verwerfungen entfernt. Beweise dafür bieten zum einen die sofortige Vermietung neu gebauter Wohnungen, zum anderen die nach wie vor nicht gesättigte Nachfrage, wie sie anhand der steigenden Mietpreise und geringen Leerstände bei den Bestandswohnungen erkennbar ist.

Befürchtungen, es könnte wie in den Euro-Problemländern zu einer Überinvestition in den Wohnungsbau kommen, lassen sich schnell entkräften. Erstens sind in Deutschland die Möglichkeiten, Neubauten zu hundert Prozent mit fremden Mitteln zu finanzieren, stark eingeschränkt. Die hypothekarische Beleihungsgrenze liegt in der Regel weit darunter, und die Werteinschätzung des Altbestands folgt nicht den Phantasien, die südosteuropäische Banken ihren heimischen Immobilien zuteil werden lassen.

Zweitens engen die verschärften Bauauflagen – zu denken ist da nur an die überbordenden Wärmedämmungsvorschriften – den Kreis der profitablen Immobilieninvestitionen ein. Drittens muß der private Mietwohnungsbau nach wie vor die Wettbewerbsverzerrung zugunsten des öffentlichen Wohnungsbauträgers erdulden. Da kann der Euro noch so inflationsverdächtig aufgeblasen sein; potentiellen deutschen Immobilienblasen wird schon durch die bestehenden staatlichen Interventionen genügend Marktluft entzogen.

Zentraler Immobilien Ausschuß (ZIA): www.zia-deutschland.de

 

Rat der Immobilienweisen

Der „Rat der Immobilienweisen“ verbindet in seinen jährlichen Gutachten eine aktuelle Bestandsaufnahme der Wohn-, Büro- und Einzelhandelsimmobilienmärkte mit einer Marktprognose für das laufende Jahr. „Die deutsche Wirtschaft muß angesichts der Krise im Euro-Raum auf die Inlandsnachfrage setzen. Insbesondere die Bauinvestitionen können hier einen wesentlichen Beitrag leisten“, erklärte Ratsmitglied Lars Feld, der seit 2011 auch dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung angehört, bei der Vorstellung des Gutachtens. Feld rechnet aber mit höheren Grundsteuern: „Angesichts der schlechten Finanzlage vieler Gemeinden und den beschränkten Möglichkeiten, eigene Einnahmen zu generieren, ist mit einer weiteren Anhebung der Hebesätze zu rechnen“. Eine Wiedereinfühung der Vermögensteuer würde vor allem Immobiliengesellschaften und -fonds treffen.

Das „Frühjahrsgutachten Immobilienwirtschaft 2013“ kann bei der „Immobilien Zeitung“ für 129 Euro bestellt werden: www.iz-shop.de

Foto: Knappes Angebot: München, Frankfurt, Hamburg, Köln und Berlin scheinen besonders attraktiv

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