© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Machtpolitik per Joystick
USA: Die Geheimniskrämerei um den Einsatz von Kampfdrohnen erzürnt sowohl Republikaner als auch Demokraten
Günther Deschner

Es ging heiß her, als John Brennan, seit Jahren Obamas Anti-Terror-Berater und designierter neuer CIA-Chef, vergangene Woche zur Senatsanhörung den Sitzungssaal des Geheimdienstausschusses betrat – quasi sein Vorstellungsgespräch als Kandidat für die Geheimdienstspitze. Kaum hatte der 57jährige den Raum betreten, reckten ihm Demonstranten Schilder entgegen, auf denen er als „Sicherheitsrisiko“ und „Kriegsverbrecher“ beschimpft wurde. „Drohnen fliegen, Kinder sterben“ und „Ende der CIA-Morde“ stand auf anderen Plakaten. Doch auch von Senatoren selbst mußte der Kandidat Kritik für die Terrorbekämpfung der US-Regierung einstecken. Dabei sind die Senatoren gar nicht gegen das Drohnen-Programm an sich. Die „Machtpolitik per Joystick“, die Präsident Obama bevorzugt, ist nicht das Hauptthema ihrer Kritik: Sie fühlen sich jedoch zuwenig informiert. In den vier Stunden Sitzung entlud sich der Frust von Demokraten und Republikanern über die Geheimniskrämerei der Regierung über den Einsatz von Kampfdrohnen. Und Brennan ist der Mann, der dieses Konzept für die Bekämpfung von Terroristen entwickelt hatte.

Fast wie aus dem Nichts ist in den USA eine Diskussion um den Drohnenkrieg laut geworden. Schon mehr als 3.000 Menschen sollen im asymmetrischen Anti-Terror-Krieg durch Drohnen getötet worden sein – zu viele, um noch von „Einzelfällen“ zu sprechen: Die Drohnengeschwader der US-Luftwaffe haben sich inzwischen zu einer eigenen Waffengattung ausgewachsen – vom Tarnkappen-Himmelsspion RQ-170 „Sentinel“, der letztes Jahr durch eine Bruchlandung tief im Staatsgebiet Irans Schlagzeilen machte, bis hin zu den Kampfdrohnen „Reaper“ und „Predator“, die meist zur Unterstützung eigener Truppen eingesetzt werden.

Immer häufiger allerdings und in großer Zahl verwendet sie inzwischen der Auslandsgeheimdienst CIA, überwiegend dazu, tatsächliche oder nur so genannte „Terrorverdächtige“ etwa in Pakistan aufzuspüren und sie – wenn Brennan den Daumen senkt und Obama nach einem Blick auf die Todesliste nickt – gezielt zu liquidieren.

Der Einsatz unbemannter Flugkörper, die über Pakistan, Jemen, Somalia oder sonstwo mit „Hellfire“-Lenkraketen Jagd auf Verdächtigte machen, ist längst zu einem Markenzeichen von Obamas Präsidentschaft geworden.

Laut der unabhängigen Netzseite The Long War Journal (www.longwarjournal.org/pakistan-strikes.php) hat der Demokrat in vier Jahren 300 Drohnenangriffe und damit den Tod von mehr als 2.500 Menschen verantwortet. Das britische Bureau of Investigation kommt auf noch dramatischere Zahlen: Allein in Pakistan hätten US-Drohnen seit Obamas Amtsantritt 350 Mal zugeschlagen. Bilanz: 3.375 Tote, unter ihnen 885 Zivilisten.

Die Zahlen zeigen, daß die USA geheimdienstlich-militärische Exekutionen in einem Maßstab durchführen, der selbst im Kalten Krieg unerreicht war. Entsprechend fordern linke Demokraten, den Drohnenkrieg einzudämmen, Bürgerrechtler versuchen gar, die Regierung vor US-Gerichten zur Rechenschaft zu ziehen. Der Präsident, einst Dozent für Verfassungsrecht, hat das Problem seiner „Lizenz zum Töten“ durchaus erkannt und im Wahlkampf Änderungen versprochen. Doch bis dato gibt es keine klaren Regeln für den Einsatz der Kampfdrohnen.

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