© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Friede, Freude, Muezzinruf
Islam II: Im nordrhein-westfälischen Eschweiler werden Moslems seit Anfang des Jahres über Lautsprecher zum Gebet gerufen
Ronald Berthold

Wird Eschweiler einmal als Fanal der multikulturellen Zeitenwende in die Geschichte eingehen? Denn in der Stadt im Großraum Aachen tut sich Bemerkenswertes: Während die Turmuhrglocke der katholischen Sankt-Bonifatius-Kirche abgestellt wurde, ertönt nun jeden Freitag öffentlich der Ruf des Muezzin.

Die Glocke der christlichen Gemeinde im Stadtteil Dürwiß war genau 14 Dezibel zu laut. Da machte die Stadtverwaltung kurzen Prozeß und zwang die Kirche, ihr Geläut nachts abzustellen. Die SPD-geführte Gemeinde kam damit dem Protest von Bürgern nach. Seit Ende Oktober herrscht nun „Totenstille“, wie Pfarrer Ralph Osnowski beklagt. Gleichzeitig fieberte die rheinische Stadt – zumindest deren offizielle Vertreter – dem ersten Muezzinruf entgegen. Jeden Freitag fordert seit Jahresbeginn ein Moslem über Lautsprecher die Gläubigen auf, in die Moschee zu gehen. Viermal hintereinander singt er in arabischer Sprache: „Allah ist der Größte!“ ins Mikrofon. Danach ruft er doppelt: „Ich bezeuge, es gibt keinen Gott außer Allah!“ Anschließend heißt es: „Ich bezeuge, daß Mohammed sein Gesandter ist. Kommt her zum Gebet, kommt her zum Heil.“ Und zum Abschluß noch einmal: „Allah ist der Größte. Es gibt keinen Gott außer Allah.“

In einer christlich geprägten Stadt wie Eschweiler ist das eine gewagte Ansage. Noch gehören zwei Drittel aller Einwohner der katholischen Kirche an; 13 Prozent sind evangelisch. Acht von zehn Eschweilern sind also christlich. Die Moschee steht im Gegensatz zu der am Stadtrand gelegenen Sankt-Bonifatius-Kirche direkt am Marktplatz der 55.500-Einwohner-Stadt, einen Steinwurf vom Rathaus entfernt. Wer sich für das Wochenende mit frischem Obst und Gemüse versorgen möchte, hört nun freitags islamische Klänge. Als er den Muezzin-Ruf für das Fernsehen einfängt, knüpft ZDF-info-Reporter Abdul-Ahmad Rashid an die Assoziationen an, die Marktbesucher überkommen dürften: „Nein, wir sind nicht in der Türkei und nicht in Ägypten, sondern in Eschweiler.“

Das islamische Gotteshaus gehört – wie sehr viele Moscheen in Deutschland – zur staatlichen Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib). Diese Behörde gehört zum Amt des türkischen Ministerpräsidenten Recep Erdogan. Eschweilers Bürgermeister Rudolf Bertram, der den Antrag der Ditib-Gemeinde bewilligt hat, betont, daß sich die Moschee mit ihrem öffentlichen Muezzinruf an die Lärmschutzvorgaben halte. Die Gemeinde habe ihn gefragt, ob er den Gebetsruf mit ihr „durchziehen“ wolle, und er habe das bejaht. Kritik daran könne er nicht nachvollziehen. Er sieht den islamischen Ruf, der das gesamte Zentrum Eschweilers beschallt, als Ausdruck der „Integrationsprozesse“, die man in seiner Stadt „sehr intensiv“ betreibe.

Als Zeichen des „Miteinanders“ wertet es der Bürgermeister, daß der Muezzin nicht gleich fünfmal täglich zum Gebet rufe. Auch dies wäre von der Religionsfreiheit gedeckt, meint der SPD-Politiker. Daß er die katholische Glocke habe abstellen lassen müssen, sei dem Lärmschutz geschuldet: „Es gibt Auflagen, die aber auch jede katholische und evangelische Kirche erfüllen muß.“ Bestandsschutz für eine Glocke, die seit Jahrhunderten zu jeder Viertelstunde schlug, gehört offenbar nicht zu den Eschweiler „Integrationsprozessen“.

Flankiert wird Bertrams Entscheidung von der Berichterstattung in den örtlichen Medien und dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen: „In Eschweiler regt sich anscheinend niemand über den öffentlichen Gebetsruf auf. Rheinische Gelassenheit gepaart mit provinzieller Geborgenheit. Hier kennt man sich und vertraut einander“, vermeldet Rashid in ZDF-info. Friede, Freude, Eierkuchen.Auch die Aachener Zeitung jubelt: „Das multikulturelle Leben“ werde durch den Gebetsruf „bereichert“. Kritiker kommen nicht zu Wort. Eine Ausnahme bilden die Leserkommentare in der Online-Ausgabe des Blattes. Die sind durchweg negativ.

Nach Düren, Herzogenrath und Stolberg ist Eschweiler die vierte Gemeinde in der Städteregion Aachen, wo der moslemische Gebetsruf öffentlich ertönt. Von einem langsamen Einsickern und stetigen Ausbreiten des islamischen Phänomens will jedoch niemand etwas wissen. Die Ditib bestreitet solche Absichten. Und der ZDF-Reporter, der in seinem Beitrag keine einzige skeptische Stimme aus Eschweiler vor das Mikrofon geholt hat, jammert zum Abschluß seiner Reportage, daß die Städte rund um Aachen deutschlandweit nur eine Ausnahme bildeten: „In naher Zukunft werden Muslime in Deutschland ihr Gebet weiterhin still und ohne öffentliche Ankündigung verrichten.“

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