© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/13 / 15. Februar 2013

Rücktritt Annette Schavans
Politische Hygiene
Paul Rosen

Auch nach 2.400 Jahren behält das Bild seine Gültigkeit: Politiker sitzen wie der sizilianische Höfling Damokles unter dem am seidenen Faden hängenden Schwert, das der Diktator Dionysios über dem mit einem Festmahl gedeckten Tisch aufgehängt hatte. Jeden Moment können das schöne Leben und die Macht vorbei sein – Annette Schavan mußte es in diesen Tagen erleben. Gerade von einer Dienstreise aus Südafrika zurück, durfte sie den Hut als Ministerin nehmen, auch wenn sie zu den engsten Vertrauten von Kanzlerin Angela Merkel zählte, deren „volles Vertrauen“ in die Ministerin ehrlich gewesen sein dürfte.

Der Schritt war alternativlos, um einen Begriff der so ob des Verlustes der guten Freundin gerührten Kanzlerin zu gebrauchen. Wer seinen akademischen Titel und Hochschulabschluß wegen solch schwerwiegender Fehler verliert, hat seinen Anspruch auf ein Regierungsamt verwirkt – erst recht auf das Amt des Bildungsministers. Die zahlreicher werdenden Fälle von plagiierten Doktorarbeiten in der politischen Klasse lassen überdies die Frage aufkommen, ob Hochstapelei und Gauklertum in diesen Kreisen Methode haben. Daher dient der Rücktritt von Frau Schavan, die über den Plagiator Karl-Theodor zu Guttenberg einst äußerte, sie schäme sich nicht nur heimlich, auch der politischen Hygiene.

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