© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/13 / 08. Februar 2013

Merkels Millionen-Illusion
Deprimierender Zwischenbericht zur deutschen Elektromobilität / Leistungsfähige Ladeinfrastruktur fehlt
Sven Hamann

Eine Million Elektroautos sollen bis 2020 rollen, Deutschland müsse zum „Leitmarkt für Elektromobilität“ werden, hat Angela Merkel verkündet. Den 2009 beschlossenen „Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität“ hat sich die Bundesregierung bislang 500 Millionen Euro kosten lassen. Acht Modellregionen von Bremen bis Stuttgart sind ausgewiesen.

Zur Abstimmung zwischen Industrie, Politik und Forschung ist eine Nationale Plattform Elektromobilität (JF 22/12) etabliert worden, um die deutsche Auto- und Zulieferindustrie an die Spitze des prognostizierten Marktes für E-Mobile zu bringen. Wie die „Energiewende“ steht auch der Einstieg in die postfossile Alternative zum Verbrennungsmotor im Zeichen der Synthese von Ökologie und Ökonomie. Das bislang Erreichte, das der auf Energieforschung spezialisierte Würzburger Privatdozent Ralf Klein sieben Jahre vor dem ersten Etappenziel – bis 2030 soll es sogar fünf Millionen Elektrofahrzeuge geben – anhand ernüchternder Zahlen rapportiert, erstickt jegliche Euphorie (Geographische Rundschau, 1/13). Das Kraftfahrtbundesamt kam im Januar 2012 auf 4.541 Elektroautos. Im Laufe des Jahres kamen lediglich 2.956 hinzu – meist Händler- oder Modellversuchszulassungen, selten Privatkunden.

Rechnet man die Hybridfahrzeuge (Altbestand 47.642, 21.438 Neuzulassungen), in denen der E-Motor lediglich der Unterstützung des Verbrennungsmotors dient, hinzu, dann hatten 2012 nur 0,8 Prozent der Neuwagen einen Elektroantriebsstrang. Im Ausland könnte es laut einer McKinsey-Studie flotter vorangehen: 2016 sollen 15 Prozent der New Yorker ein E-Mobil fahren, die Pariser folgen für 2015 mit neun, die Chinesen in Shanghai mit fünf Prozent.

Batterie bleibt ein schwerer Kostenfaktor

Haupthindernis ist die teure und begrenzte Batteriekapazität. Mit der derzeitigen Lithium-Technologie (vergleichbare Batterien haben im Januar Boeings Dreamliner 787 ein weltweites Startverbot eingebrockt) sind Strecken über 200 Kilometer unrealistisch – beim Einschalten von Heizung oder Klimaanlage verbleibt noch weniger Fahrstrecke. Daraus resultierten massive Akzeptanzprobleme, die schon den Lohner-Porsche (1900) und Ferdinand Porsches Urhybrid „Mixte“ (1902) scheitern ließen. E-Mobile bleiben für unabsehbare Zeit „deutlich teurer“ als Benziner. Die flächendeckende Einführung hänge entscheidend von der Preisgestaltung der kommenden Jahre ab. Hinzu käme die Anstrengung, eine neue Infrastruktur zu schaffen – einen verbesserten Personennahverkehr, der die Kombination mit dem E-Auto erleichtere, sowie eine leistungsfähige Ladeinfrastruktur mit Schnelladestationen zur Bewältigung der Langstrecke.

Vorsichtigen Optimismus nähre das in Israel, Japan und Dänemark erprobte Wechselakkusystem Better Place. Das Anfahren einer Quickdrop Station und der Zeitaufwand für den Akkuwechsel entsprächen dort dem gewohnten Tankvorgang. Überhaupt nicht abzuschätzen ist für Klein die Frage, ob der Abhängigkeit vom Öl nicht eine neue Ressourcenabhängigkeit von Seltenen Erden, ohne die kein Elektroantrieb seinen hohen Wirkungsgrad erreicht, folgen werde. Ob Lagerstättenentdeckungen im sächsischen Storkwitz (JF 42/12) oder eine effizientere Rohstoffwiedergewinnung da vor bösen Überraschungen schützen?

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Fachmagazin „Geographische Rundschau“: www.geographischerundschau.de

Informationsportal zur Elektromobilität: www.forum-elektromobilitaet.de

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