© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/13 / 08. Februar 2013

Aufgeschnappt
Antisemitische Stereotype
Matthias Bäkermann

Als sich Kinderbuchautorin Christine Nöstlinger in den Streit um die Werke ihres Kollegen Otfried Preußler einschaltete, konnte sie noch nicht ahnen, bald selbst in den Fokus der Gesinnungswächter zu geraten: Als „Unfug“ bezeichnete Nöstlinger das Umtexten politisch anstößiger Passagen in Kinderbüchern, welcher zeige, „daß Kinderliteratur für viele nicht mehr ist als eine Pädagogikpille, eingewickelt in Geschichtspapier“.

Doch statt Rassismusvorwürfen ausgesetzt zu sein, ist die 76jährige Wienerin nun gar in die Antisemitenecke verbannt worden: Grund ist der Germanist Lothar Quinkenstein, der Ende Januar im Berliner Tagesspiegel in einem ihrer Hauptwerke, „Wir pfeifen auf den Gurkenkönig“ von 1973, antisemitische Stereotype offenlegte. So vereine die Hauptfigur „Kumi-Ori“ allerlei Schlechtigkeiten, lüge und intrigiere. Da der Name des Bösewichts hebräisch „Erhebt euch“ heiße, werde letztlich im Kinderbuch ein „Ressentiment bedient, indem sie das Übel mit dem Judentum verbindet“, so Quinkenstein in fast entlarvender Logik. Tatsächlich war sich Nöstlinger bewußt, daß es sich um einen hebräischen Namen handelt, wie sie jetzt bekannte: „Ich stieß auf das Wort in einem Gedicht bei Paul Celan“, das ihr dann eine jüdische Freundin übersetzte. Und ein Tyrann, gegen den sich ein Volk erhoben hat, mit dem Namen „Erhebt euch“, fand Nöstlinger reizvoll.

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