© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/13 / 08. Februar 2013

Das große Geschäft
Themenabend: Arte versäumt mit einem einseitigen TV-Beitrag die Chance, den Brüsseler Lobbyismuskomplex richtig zu entlarven
Ronald Gläser

Friedrich Moser wollte den Fernsehzuschauern mehr bieten. „Nicht immer nur diese typischen Infohappen über Europa“, sagt er strahlend. Sein 75minütiger Dokumentarfilm, der am Dienstag bei einem Arte-Themenabend über Lobbyismus in der EU gezeigt wird, will hintergründig sein – und zugleich provokativ.

Lobbyismus ist ein großes Geschäft in der EU-Hauptstadt, deren innerstädtische Wohnquartiere längst in EU-Büros und Lobbyistenzentralen umgewandelt worden sind. Nach Washington ist Brüssel weltweit die Stadt mit den meisten Lobbyisten. Auf jeden Abgeordneten kommen etwa zwanzig von ihnen. Der Film nun zeigt im Wechsel einen holländischen Lobbyismuskritiker und einen französischen Bankenlobbyisten, wobei auch letzterer trotz seiner Rolle als böser Bulle sympathisch wirkt und geeignet ist, sein Branchenanliegen verständlich zu machen.

Der Film nimmt den Zuschauer mit in die achtziger Jahre, als die EU noch EG hieß und Wirtschaftsbosse mit Politikern über den Binnenmarkt verhandelten, während von einer Währungsunion keine Rede war. Er endet mit der als Euro-Stabilisierung getarnten Bankenrettung.

So weit, so gut. Nur leider bleibt der Film auf halber Strecke stehen. Die Wahrheit ist diese: Lobbyismus wird es geben, solange es Macht gibt. Erst der sozialdemokratische Wohlfahrtsstaat hat diese Unmenge von Gesetzen und damit Lobbyisten hervorgebracht. Dies wird jedoch nicht thematisiert. Vielmehr wird der Eindruck erweckt, daß mehr Kontrolle und Transparenz das Phänomen beenden würden. Und übrigens richtet sich die Kritik ausschließlich gegen Großkozerne. Umweltgruppen, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen – daß auch sie schädlichen Einfluß haben, wird mit keiner Silbe erwähnt. Das ist der größte Schwachpunkt von „Brussels Business“.

 

Europa, eine Lobbycracy. Magazin (Wdh.), Dienstag, 12. Februar, 8.55 Uhr, Arte

The Brussels Business. Dokumentation, Dienstag, 12. Februar, 20.15 Uhr, Arte

Im Vorzimmer der Macht. Dokumentation, Dienstag, 12. Februar, 21.30 Uhr, Arte

www.arte.tv/brusselsbusiness

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