© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/13 / 08. Februar 2013

Lockerungsübungen
Schule der Nation
Karl Heinzen

Zwei Wirtschaftsinformatiker der Berliner Humboldt-Universität und der TU Darmstadt sind der Frage nachgegangen, welche Gefühle sich bei Facebook-Nutzern regen, wenn sie online sind. Ihre Erhebung unter 600 deutschen Mitgliedern des Netzwerkes brachte zutage, daß bei vielen gar nicht die Beglückung überwiegt, auf diese Weise am Leben der Freunde teilhaben zu dürfen. Über ein Drittel der Befragten gab vielmehr an, sich einsam, müde oder frustriert zu fühlen, wenn man wieder einmal zur Kenntnis nehmen mußte, was die anderen gepostet hatten.

Distanz und Feindseligkeit zwischen Menschen, die sich als Freunde bestätigt haben.

Die Erklärung für dieses Phänomen ist simpel: Auf Facebook ist man zu einem gewichtigen Teil mit Menschen vernetzt, deren soziale Lage mit der eigenen vergleichbar ist. Liest man nun von diesen über Glanzpunkte ihres Lebens wie idyllische Urlaube, aufwendige Anschaffungen oder rauschende Feste, stellt sich häufig Neid ein, da man im Regelfall dergleichen in diesem Augenblick von sich selbst nicht zu vermelden hat, sondern gerade vom tristen Alltag absorbiert wird. Immerhin werden jene, die sich auf diese Weise gedemütigt fühlen, oft dazu motiviert, bei nächstbester Gelegenheit Revanche zu nehmen und ihrerseits überschwengliche Erfolgsmeldungen posten, mit denen sie ihre Freunde frustrieren können. Dieses Phänomen einer sich aufschaukelnden Prahlerei mit nicht selten übertrieben dargestellten positiven Erlebnissen bezeichnen die Forscher als Neidspirale.

Facebook ist immer noch zu jung, um seine sozialen Folgen überblicken zu können. Es liegt aber auf der Hand, daß die Neidspirale Distanz und Feindseligkeit zwischen Menschen schafft, die sich doch eigentlich wechselseitig als Freunde bestätigt haben. Greift sie immer weiter um sich, dürfte daraus sogar eine zusätzliche Gefährdung für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft erwachsen.

Allerdings könnte dieser negative Aspekt durch einen positiven mehr als aufgewogen werden: Sehr viele Menschen meinen, daß sich Aufrichtigkeit auszahle. Mit dieser Einstellung stoßen sie im Erwerbsleben jedoch schnell an ihre Grenzen. Dort sind Mitarbeiter gefragt, die, ganz gleich, wie ihnen wirklich zumute ist, gute Laune und Tatkraft ausstrahlen. Facebook könnte daher zur Schule der Nation werden, in der die Bürger lernen, sich als Erfolgsmenschen zu inszenieren.

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