© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/13 / 01. Februar 2013

Haltungsnote
Wenn Punker so richtig unspontan werden
Christian Rudolf

Jetzt will es keiner gewesen sein. Die Aufregung über Heinos Interpretationen von Liedern populärer Popsänger, der peinliche Protest der Punker-Multimillionäre – alles nur eine inszenierte PR-Kampagne?

Im Fall von „Die Ärzte“, die von den frechen Punkrockern der Achtziger längst zu saturierten Bank-Rockern mutiert sind, klingt das eher nach Zurückrudern aus Angst vor Imageverlust. Es paßt einfach zu den moralinsauren Zeigefinger-Platitüden, die Ärzte-Sänger Jan Vetter alias Farin Urlaub sonst bei jeder Gelegenheit absondert. Zum Beispiel, daß es den Gutpunker „wahnsinnig wütend“ mache, daß Eu­ropa seine Fäkalien mit Wasser fortspüle, während Afrika durstet. Was für ein Nonsens! Als wären die Kontinente ein System kommunizierender Röhren!

Der Sänger der mäßig bekannten Gruppe „Oomph!“ wird immerhin konkret zitiert. Er sagte, bei „völkisch-verherrlichender Landser-Romantik“, die Heino im Lied „Es steht ein Soldat am Wolgastrand“ propagiere, höre bei ihm der Spaß auf. Daß das Lied aus der Operette „Zarewitsch“ von 1927 und das Libretto von einem jüdischen Texter stammen, konnte der junge Mann im bildungsreformierten Schulunterricht freilich nicht erfahren.

Ob nun echtes oder arrangiertes Gezeter: Daß der 74jährige Blonde mit der schwarzen Brille den alten Schlagertitel „Ich lasse mir das Singen nicht verbieten“ wörtlich nimmt, läßt die Herren Rocker wie alte Spießer aussehen! Auf Youtube wird Heino gefeiert! Wir feiern mit!

Es bleibt aber wohl sein Geheimnis, warum Heino mit dem Ärzte-Stück „Junge“ einen Text gewählt hat, der vor veralteten Klischees nur so strotzt. Welche Eltern regen sich denn heute noch über „elektrische Gitarren“ auf? Das „Westerland“-Lied („Es ist zwar etwas teurer, / Dafür ist man unter sich“) hätte viel besser zu ihm gepaßt.

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