© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/13 / 01. Februar 2013

Wisnewskis Visionen
Verschwörungstheorien: Zum siebten Mal erklärt uns Gerhard Wisnewskis Jahrbuch, „was im Vorjahr nicht in der Zeitung stand“
Ronald Gläser

Schon Alexis de Tocqueville wußte: „Das Publikum wird lieber die einfache Lüge glauben als die komplizierte Wahrheit.“ Das mag für die Masse stimmen, aber immer mehr sind süchtig nach alternativen Erklärungen. Verschwörungstheorien durchziehen unsere Popkultur und sogar die Harry-Potter-Romane. Die einen vermuten die CIA hinter dem 11. September und der RAF, andere glauben nicht an den Klimawandel oder die Mondlandung.

Für sie alle gibt es das Jahrbuch von Gerhard Wisnewski, der sich kalendarisch an sämtlichen gängigen Verschwörungstheorien des Vorjahres abarbeitet. Mal glaubwürdig, mal absurd. Und immer konträr zur veröffentlichten Meinung.

2012 war das zentrale Ereignis die Aufarbeitung der Dönermordserie. Wisnewski hat eine Theorie entwickelt, wie und warum sämtliche Beweise Böhnhardt und Mundlos nach ihrem Tod von Geheimdiensten nur untergeschoben worden sind. Ebenso außergewöhnlich ist seine These über die wahren Ursachen des Rücktritts von Christian Wulff. Dieser mußte nicht wegen seiner Verfehlungen gehen, sondern weil er nicht mehr hinter der Euro-Rettungspolitik stand.

Nicolas Sarkozy hingegen hat der angebliche Amoklauf des Kleinkriminellen Mohammed Merah in Toulouse nicht im Amt halten können, obwohl dies eine Geheimdienstverschwörung war. Klar, daß in einer Welt, in der das möglich ist, die US-Regierung Wirbelsturm Sandy ausgelöst hat, um Obamas Wiederwahl zu sichern. Und „Curiosity“ – wir ahnten es schon – ist natürlich nie auf dem Mars gelandet.

Wisnewski widmet sich auch bodenständigen Dingen und geißelt die „Rassismusparanoia“, die Bürger zum „Freiwild für Denunzianten“ werden läßt, oder die sogenannte Inklusion. Kritiker werfen ihm vor, ernstzunehmende, zeitgeistkritische Positionen durch die Vermischung mit lauter abwegigen Themen zu entwerten. Das ist unfair. Niemand ist gezwungen, alle seine Thesen bedenkenlos zu übernehmen.

Gerhard Wisnewski: Verheimlicht, vertuscht, vergessen 2013. Knaur Verlag, München 2012, broschiert, 364 Seiten, 7,99 Euro

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