© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/13 / 01. Februar 2013

Kampf mit harten Bandagen
Kampfflugzeuge: Während sich die Europäer gegenseitig das Wasser abgraben, wappnet sich China für die Zukunft
Georg Thiele

Kurz vor Jahresende meldeten die Flugzeugbauer zwei möglicherweise richtungsentscheidende Beschlüsse von kaufwilligen Ländern. Einerseitseits wird der Oman zwölf Eurofighter für seine Luftwaffe beschaffen. Auf der anderen Seite kündigte Kanada an, aus dem US-amerikanischen F-35-Programm auszusteigen und sich ab sofort andere Kampfflugzeuge für seine Streitkräfte beschaffen zu wollen.

Der Markt um Kampfflugzeuge ist härter umkämpft denn je. Hinter den Kulissen tobt ein heftiger Kampf um mögliche Interessenten. Dabei geht es nicht nur um milliardenschwere Aufträge, sondern auch ums Renommee, wenn die Hersteller, oft gepaart mit politischer Einflußnahme der jeweilgen Regierungen, um die lukrativen Aufträge buhlen. Nicht selten werden dabei die Geschäfte, wie nun der „umstrittene“Eurofighter-Kauf (15 Maschinen) Österreichs mit Schmiergeldaffären und dubiosen Gegengeschäften in Verbindung gebracht.

Zur Zeit steht in den Ländern, die es sich leisten können, die Beschaffung von Kampfflugzeugen der fünften Generation an. Zuweilen ist auch von der vierten Generation plus X die Rede. Die Interessenten können zwischen drei europäischen, zwei US-amerikanischen und zwei russischen Flugzeugmustern wählen. In Frage kämen hier auch die chinesischen Kampfflugzeuge des Herstellers Shenyang. Sofern es sich nicht um russische Nachbauten handelt, sind diese Flugzeuge aber noch im Stadium der Erprobung. Die russischen MiG 29 und Suchoi 27 stammen dagegen aus den siebziger Jahren und sind Zeitgenossen der US-amerikanischen Flugzeuge F-14, F-15, F-16 sowie F-18. Allerdings sind sie – wie auch die US-Muster – laufend weiterentwickelt und verbessert worden.

Echte Neuentwicklungen sind die französische Dassault Rafale, die schwedische Saab Gripen und die britisch-deutsch-italienisch-spanische Koproduktion Eurofighter (siehe Infografik). Auch die etwas später entstandenen US-Typen F-35 und F-22 sind echte Maschinen der fünften Generation. Bei diesen fünf Typen sind Allzweckflugzeuge und Luftüberlegenheitsjäger (früher hätte man schlicht Jagdflugzeuge gesagt) zu unterscheiden. Letztere Charakteristik trifft jedoch nur auf die F-22 und den Eurofighter zu. F-35, Rafale und Gripen sind hingegen sogenannte Mehrzweckflugzeuge, die zwar für den Kampf gegen Bodenziele optimiert wurden, aber einem erstklassigen Jagdflugzeug im Luftkampf unterlegen sind. Solange der eigene Luftraum beherrscht wird, ist das kein Problem. Doch bei ernsthafter Gegenwehr – wie zum Beispiel bei einem Angriff gegen den Iran – sieht das anders aus. Natürlich können auch F-22 und Eurofighter Bodenziele angreifen – aber deutlich weniger effektiv als Mehrzweckflugzeuge.

Inzwischen ist es zu einer Kostenfrage geworden, Spezialflugzeuge zu unterhalten. Das ließ den Trend zum Allzweckflugzeug aufkommen. Während der Entwicklung des Eurofighters hatte das britische Verteidigungsministerium entsprechend eine vergleichende Studie angefertigt. Nach der würde die F-22 glatte neunzig Prozent aller Luftkämpfe gegen das damals stärkste sowjetische Kampfflugzeug gewinnen, der Eurofighter“ hingegen nur 80 Prozent. Bei einer Kosten-Nutzen-Analyse kamen die Briten jedoch zu dem Ergebnis, daß der Eurofighter das bei weitem überlegene Flugzeug ist.

Neben den vier Ländern, die den Eurofighter konstruierten, produzieren und auch gekauft und bestellt (620 Stück) haben, gibt es noch Saudi-Arabien (72 Maschinen) und Österreich, die bislang auf den europäischen Abfangjäger setzen. Kurz vor Weihnachten kam dann die Bestellung über zwölf Einheiten aus dem Oman in die Auftragsbücher des Konsortiums hinzu.

F-35, Gripen und Rafale sind hingegen „Allrounder“, F-35 und Rafale zudem auch für den Einsatz auf Flugzeugträgern ausgelegt. Daher war es den US-Amerikanern auch möglich, Italien und Großbritannien ihren F-35 zu verkaufen, beide benötigen moderne Maschinen für ihren Flugzeugträger.

Die Flugzeugträgerfähigkeit könnte auch ein Argument für Indien gewesen sein, nicht den eigentlich favorisierten Eurofighter, sondern die Rafale zu ordern. Der 8-Milliarden-Euro schwere Verkauf von 126 Rafale an Indien zu Beginn des Jahres 2012 war der erste französische Exporterfolg überhaupt. Frankreichs damaliger Präsident Nicolas Sarkozy, der das Rafale-Projekt massiv unterstützt hatte, feierte seinen Punktsieg gegen Kanzlerin Angela Merkel, die sich für den Eurofighter eingesetzt hatte. Viele Experten zeigten sich ob der Entscheidung gegen das momentan modernste Flugzeug überrascht. Dabei hatte das Eurofighter-Konsortium Indien Tausende Arbeitsplätze und eine Teilnahme an der Eurofighterproduktion versprochen. Frankreich punktete dann aber mit milliardenschweren Investitionen in der indischen Rüstungsindustrie. Derweil machten Spekulationen – Stückpreise der Flugzeuge werden wie Staatsgeheimnisse behandelt – die Runde, die Rafale sei einige Millionen Euro pro Stück günstiger gewesen als der Eurofighter. Das Eurofighter-Konsortium zeigte sich tief enttäuscht, betonte aber zugleich, daß die Produktion des Eurofighter bis Ende 2017 gesichert sei.

Frankreich und sein Rafale-Projekt waren vorher mit ihren Offerten in Brasilien, der Schweiz, Singapur und Südkorea erfolglos geblieben. Dagegen war die Konkurrenz Saab Gripen bislang in Südafrika, Tschechien, Ungarn und Thailand erfolgreich. Sie ist weniger leistungsfähig, aber eben auch billiger. Das ist in Zeiten knapper Kassen ein schlagendes Argument.

Auch in der Schweiz steht eine Entscheidung für die Schweden unmittelbar bevor. Für den innenpolitisch heiß umkämpften Kauf von 22 Gripen werden umgerechnet 2,4 Milliarden Euro bereitgestellt. Auch hier bot Saab der Schweiz ein umfassendes und weitreichendes Industriebeteiligungsprogramm (Swiss Industrial Participation SIP) an. Keine Chance für die deutschen Hersteller von EADS und ihren Eurofighter, die einem Bericht des Schweizer Sonntag zufolge noch im August 2012 Bern eine neue Offerte unterbreitet hatten: Demzufolge sollte die Schweiz 33 Eurofighter aus Beständen der deutschen Luftwaffe kaufen – „für ungefähr jene 2,4 Milliarden Euro, welche die 22 Flieger des noch nicht gebauten Kampfjets Gripen“ kosten. Doch die Schweizer Regierung wollte keine Eurofighter aus zweiter Hand und entschied sich für die vom damaligen Verteidigungsminister Ueli Maurer (SVP) favorierte Gripen.

Geht die Kurve des Schwedenfliegers nach „oben“, verhält es sich bei den beiden US-Fliegern genau umgekehrt. Die Produktion des Superjägers F-22 wurde nach nur 197 Exemplaren bereits 2011 wieder eingestellt. Explodierende Kosten und technische Schwierigkeiten im Einsatz waren die Gründe. Jeremy Gordon und Josh Wilson zwei US-Kampfpiloten, berichteten Anfang Mai 2012 beim Nachrichtensender ABC News ausführlich über die Defizite der F-22. Exportiert wurde der „Vogel“ gar nicht, obwohl Israel, Australien und Japan Interesse bekundeten. Nach dem Scheitern dieses Projektes ruhen nun alle Hoffnungen auf der F-35, einem Mehrzweckflugzeug, das auch von Flugzeugträgern eingesetzt werden kann.

„Kampfjet F-35 – Der neue Supertrumpf im Luftkampf“ titelte die Welt noch Ende April 2012, vermutlich wider besseres Wissen, denn sowohl der Spiegel als auch die Fachpresse Flugrevue und Fliegerrevue berichteten schon von den Schwierigkeiten und Pannen des „Hoffnungsträgers“ der US-Streitkräfte. Neben ständig steigenden Kosten leistet das Flugzeug offenbar nicht das, was die Produzenten sich davon versprechen. Dabei hatte Lockheed Martin bei der Entwicklung ihres Flugzeuges erst mal bei den interessierten „Verbündeten“ abkassiert. Nur rund 88 Prozent der Kosten wurden in den USA aufgebracht. Den Rest teilten sich Großbritannien, Italien, die Niederlande, die Türkei, Australien, Norwegen, Dänemark, Kanada und Japan. Die Entscheidung Kanadas zum Ausstieg aus dem F-35-Programm bedeutet für das Land, daß diese Kosten verloren sind, aber das scheint den politischen Entscheidungsträgern allemal günstiger zu sein, als eine Fortführung.

Hier haben alle drei europäischen Flugzeugbauer jetzt gute Chancen, zum Zuge zu kommen, denn mit irgendwas wird die kanadische Luftwaffe in der Zukunft fliegen müssen, und der Kauf eines russischen Flugzeuges ist nun wenig wahrscheinlich.

 

Eurofighter „Typhoon“

Die Geschichte des Eurofighters begann MItte der siebziger Jahre. Ausschlaggebend war das Interesse Deutschlands, Italiens, Spaniens, Großbritanniens und Frankreichs an einem europäischen Kampfflugzeug. Dabei ging es nicht in erster Linie um die europäische Idee, sondern in Konkurrenz zu den US-Produkten (F-4 Phantom) um den Schutz und Aufbau der nationalen Luftwaffen- und Luftfahrtindustrien der beteiligten Länder. Unterschiedliche militärtaktische Überlegungen und nationale Interessen verzögern daraufhin die Entwicklung. Im August 1985 stieg Frankreich aus dem Projekt aus, da es, unnehmbar für die anderen, auf 50 Prozent des Arbeitsanteils und auf der Systemführerschaft bestanden hatte. 1986 wurde in München die Eurofighter Jagdflugzeug GmbH gegründet. Die Entwicklungs- und Kostenanteile liegen demnach zu je 33 Prozent bei Deutschland und Großbritannien, bei 21 Prozent für Italien und 13 Prozent für Spanien. Tag des Erstflugs war der 27. März 1994. In Dienst gestellt wurde der Eurofighter Typhoon im Frühjahr des Jahres 2004.

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