© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/13 / 01. Februar 2013

Die ausgelagerte Kinderbetreuung
Durchgehend geöffnet
Rolf Dressler

Es lebe die Kita!“ In diesen Schlachtruf stimmt Deutschlands Einheitspartei anno 2013 fröhlich ein. Ob schwarz, blau-gelb, rot oder grün. Kinderaufbewahrung ist angesagt (siehe Seite 7), nur irgendwie artgerecht soll sie sein. Andersmeinende werden weggebügelt.

Beinahe schon vergessen, daß die böse, höhnisch-verächtliche Propagandaparole von der „Herdprämie“ immerhin zum Unwort des Jahres 2007 gekürt wurde. Völlig zu Recht. Denn wann je zuvor zogen die herrschende Politik, allen voran die jungen, alten, roten und grünen Erzsozialisten, und der Medientroß derart schäbig und ehrverletzend über Mütter her, die ihre Sprößlinge zumindest in den ersten Lebensjahren zu Hause umsorgen und aufziehen möchten?

Da frohlockt, wen wundert’s, Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und verlangt, Mütter müßten nach der Geburt eines Babys so rasch wie möglich (wieder) berufstätig werden. Als Arbeitskräftepotential, als Verfügungsmasse der Wirtschaft eben. Ähnlich verräterisch reden auch Fußballmanager und -trainer leicht und locker vom „Spielermaterial“, das man für den Erfolg nun einmal „auf dem Markt“ zusammenkaufen müsse.

Doch haben sich einst, vor nun bald 90 Jahren, nicht schon Sowjetrußlands glorreich revolutionäre Bolschewiken mit ihrer infam familien-, eltern- und kinderfeindlichen Familienpolitik mächtig vergaloppiert – und sie, o Wunder, sogar korrigiert mit einer Kehrtwende, wie sie in unseren Tagen nicht einmal mehr die Seehofer-CSU vollbringen könnte? Im damals aufgewühlten Rußland wurden Ehescheidungen wieder deutlich erschwert, Abtreibungen wieder mit Strafe belegt.

Bei uns indes geht es in der Gegenrichtung munter voran: Im bayerischen Steinbach am Wald im Landkreis Kronach (3.318 Einwohner) versteht sich der CSU-Bürgermeister Klaus Löffler als Pionier einer elternfernen Nachwuchsaufbewahrung vom ersten Lebensjahr an – bis zum Eintritt ins Berufsleben. Der dortige Kinderhort Sankt Franziskus hat schon jetzt von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr geöffnet. Und in Schwerin zielt die 24-Stunden-Kita „Nidulus“ („Nestchen“) auf „den Nerv der modernen Arbeitswelt“ – geöffnet an allen 365 Tagen des Jahres, also auch an Weihnachten. Der fatale Anfang ist längst gemacht. Ende offen.

 

Rolf Dressler war langjähriger Chefredakteur beim „West­falen-Blatt“ in Bielefeld und ist nun freier Journalist.

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