© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/13 / 25. Januar 2013

Haltungsnote
Zeigt her eure Füße
Christian Rudolf

Sie gehören zu Rußland wie der Samowar, das Lüftungsfenster und der Schlafwagen, und zur russischen Armeebekleidung wie Wattejacken, Ohrenklappenmützen und Kunstlederstiefel: die Fußlappen. Peter der Große guckte sie sich dereinst wie so manches andere bei den Holländern ab. Der rechteckige Stoffstreifen, fachgerecht um den nackten Fuß gewickelt – daher auch Wickelstrumpf genannt –, schützt auf tagelangen Gewaltmärschen weit eher vor Blasen als Strümpfe, wärmt besser, scheuert nicht durch, ist einfacher zu waschen und nicht zuletzt leichter herzustellen. Sowjetische Soldaten marschierten damit durch halb Europa bis vor die Stahltür des Berliner Führerbunkers. Den Veteranen unter uns sind sie auch noch ein Begriff, denn die Wehrmacht nutzte ihre Vorzüge für geschundene Männerfüße beim Abwehrkampf an der Ostfront. Dort wie auch in der NVA bis in die sechziger Jahre hinein waren die Fußlappen meist über die Strümpfe geschlungen – natürlich nur, soweit vorhanden ...

Mit alten nationalen Traditionen will der neue russische Verteidigungsminister jetzt brechen. „Die Ära dieser archaischen Fußbekleidung ist vorbei“, verkündete der seit November amtierende Putin-Spezi Sergej Schojgu. Er hat eine große Reform der Streitkräfte ins Werk zu setzen, da geht es auch um Details. Bis Ende des Jahres gelte es den Begriff des Fußlappens „vollständig zu vergessen“. 2,2 Millionen Soldatenfüße müssen sich umgewöhnen. 2014 sollen gar ganz neue Uniformen her, mit deren Einführung auch die legendäre Schapka abgeschafft wird!

Die Neuerer um Schojgu haben unterdessen einen mächtigen Feind in Gestalt einer anderen ortsüblichen Sitte: der Korruption. Die wird möglicherweise dafür sorgen, daß es in den verstreuten Kasernen Sibiriens und des Fernen Ostens heißen wird: Rußland ist groß, und der Zar ist weit.