© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/13 / 25. Januar 2013

Aus dem Kessel an der Wolga
52 Erlebnisberichte von Stalingradkämpfern
Hans-Joachim von Leesen

Mehr als 147.000 deutsche Soldaten sind in Stalingrad gefallen, 90.000 meist Verwundete, Kranke und Halbverhungerte gerieten in sowjetische Gefangenschaft, nur 6.000 von ihnen kehrten zurück – das sind kühle Zahlen. Der Historiker Reinhold Busch, in Fachkreisen seit dem Buch „Die Ärzte von Stalingrad“ der siebenbändigen Reihe „Geschichte der Medizin“ bekannt, präsentiert nun 52 Erlebnisberichte von Stalingradkämpfern sowie Verwundeten, die aus dem Kessel ausgeflogen wurden, und den daran beteiligten Luftwaffensoldaten, vom Obergefreiten bis zum General. Ohne Schnörkel, ohne Pathos, sich einfach auf die Fakten beschränkend und dafür um so erschütternder.

Seit der Einkesselung Stalingrads am 23. November 1942 war nicht wenigen klar, daß es nur noch darum ging, hinhaltend Widerstand zu leisten. Trotzdem kämpften die allermeisten Soldaten mit großer Tapferkeit. Busch präsentiert Einzelheiten, die kaum bekannt sind, etwa daß hinter der Front auch Schweizer Ärztemissionen ausgeflogene Stalingradkämpfer versorgten, aber auch daß Verwundete nicht auf das Gebiet des Reiches gelassen wurden, um das Schicksal der Soldaten im Kessel möglichst nicht allzu publik zu machen. Grausamkeiten der Sowjets werden ebenso geschildert wie ritterliches Verhalten auf deren Seite.

Noch im Januar 1943 liefen Rotarmisten zu den Deutschen über. Peinlich stellt sich das Verhalten des Oberbefehlshabers der 6. Armee, General Paulus, dar, der zuletzt aus Unentschlossenheit, ja Feigheit nicht mehr führte. Er überließ die Verantwortung seinen ihm unterstellten Generalen, „als er für sich die Möglichkeit entdeckt hatte, als Privatperson in Gefangenschaft zu gehen“, zitiert Busch. Andererseits gab es Generale, die am Ende mit der Waffe in der Faust zusammen mit ihren Soldaten in die Frontlinie gingen, um zu fallen.

Ein bewegendes Buch, das aber auch jenes berühmte Wort de Gaulles auf seinem Besuch Ende 1944 in der Sowjetunion in Erinnerung ruft: Als dort nämlich die Rede auf die Schlacht um Stalingrad kam, sagte er, zu seinen französischen Begleitern gewendet: „Ein wahrhaft großes Volk!“ Ein in der Nähe stehender sowjetischer General dankte ihm dafür, worauf de Gaulle erwiderte: „Mais non. Ich meinte das deutsche.“

Reinhold Busch (Hrsg.): Stalingrad – Der Untergang der 6. Armee. Überlebende berichten. Ares Verlag, Graz 2013, gebunden, 464 Seiten, 24,90 Euro