© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/13 / 25. Januar 2013

Wagnerismus des Unterleibs
Oper: „Das Liebesverbot“ im sächsischen Radebeul
Sebastian Hennig

Die Geringschätzung, mit der Richard Wagner sich über sein Frühwerk ausließ, wurde lange Zeit als verbindlich übernommen. Das angestrengte Ringen um die gerechte Aufführung seiner Hauptwerke ließ keinen Raum für Nachsicht gegenüber den „Jugendsünden“. Und freilich ist es unlauter, frühe Versuche herauszuheben, während ein verschwiegenes Einverständnis die totale Entfaltung des Zaubers seiner reifen Werke zügelt. Der Entscheidung, Wagners Werk nicht als integrative Weltschau mit künstlerischen Ausdrucksmitteln, sondern als historisch bestimmte Äußerung aufzufassen, entspricht die Weigerung zur Historisierung von nachwagnerischem Zeitgeschehen. Mythos, der in der nationalen Kunst nicht walten darf, wirkt als Rechtfertigung einer absurden Nationalpolitik.

Wagner konkurrierte mit den Platzhirschen des Opernbetriebs seiner Zeit. Aus Shakespeares „Maß für Maß“ modelte er sich eine Grand Opéra buffo: „Das Liebesverbot“, uraufgeführt 1836.

Nun feuert eine Aufführung der Landesbühnen Sachsen in Radebeul aus allen Rohren. Orchestergewalt, Sangeskunst, dramatische Bewegung und sinnreiche Ausstattung runden sich zu einem herrlichen Gesamtkunstwerklein. Kastagnetten klappern zur orgasmischen Ouvertüre. Solch ein lüsternes Geflacker übertrifft noch Offenbachs und Vivaldis tönende Laszivität. Darauf wird das Publikum direkt in den Venusberg gestoßen.

Der erste Aufzug ist von italienisch-französischem Opern-Idiom durchtränkt, dann wird es deutscher, ohne dabei an Geist und Anmut zu verlieren. Die Verhandlung zwischen der Novizin Isabella (Stephanie Krone) und dem Statthalter Friedrich (Paul G. Song) in ihrem Widerspiel zwischen edlem Streben und glühendem Trieb sind ein unbewußtes Vorglühen für den Kampf des Tannhäuser mit der Frau Venus. Hier ist der Verführer der Mann. Statthalter Friedrich, der Karneval und freie Liebe verbietet, ist eine tragische Figur von Format.

Die Schlußszene entfaltet sich als großer Karneval zum Motto „Wagner-Posen“. Ein liebevolles tableau vivant, für das alle Handelnden als Helden aus des Meisters Musikdramen verkleidet sind, beschließt und löst die Wirren.

Nächste Vorstellungen der Inszenierung der Landesbühnen Sachsen: 20. Mai im Stammhaus Radebeul, 26. Januar in Eisleben/Landesbühnen Sachsen-Anhalt.

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