© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/13 / 18. Januar 2013

Zeitschriftenkritik: Exit!
Epistem und Epistel
Jens Knorr

Noch nicht lange tot, hat der Prozeß seiner Seligsprechung schon eingesetzt. Im zehnten Heft der unregelmäßig erscheinenden Zeitschrift Exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft erinnert Claus Peter Ortlieb an den im Juli 2012 bei einer Notoperation gestorbenen Ökonomen Robert Kurz, nicht ohne gleich auch klarzustellen, wer Kurz korrekt nachgerufen habe und wer nicht – letztere nach seiner und nach Ansicht der Redaktion in der Mehrzahl – und wie seiner korrekt nachzurufen gewesen wäre.

Robert Kurz hatte sein großangelegtes Buchprojekt „Tote Arbeit“ in eine Reihe von Büchern splitten wollen, von denen er „Geld ohne Wert“, seine Auseinandersetzung mit der „Neuen Marxlektüre“ (Michael Heinrich und andere) und der „Neuen Orthodoxie“ (Wolfgang Fritz Haug und andere), noch hatte fertigstellen können. Der einem weiteren nun Fragment gebliebenen Buch zugehörige Text „Krise und Kritik. Die innere Schranke des Kapitals und die Schwundstufen des Marxismus“ versteht sich als „Propädeutik zur Krisentheorie und zur kategorialen Kritik, die den aktuellen Stand der einschlägigen Diskussion im Rest- und Portmarxismus angesichts der hereinbrechenden realen Weltwirtschaftskrise aufarbeitet“.

Elmar Flatschart sucht die Wertabspaltungskritik als eigenständige Position zwischen „Wissenschaft“ und „(historischem) Standpunkt“, zwischen „Neuer Marxlektüre“ und „antideutschen Autoren“ zu behaupten, Georg Gangl sich im Dschungel – von ihm als links verorteter – Theorien moderner Biopolitik bei Foucault, Agamben, Esposito und den längst erledigten Hardt und Negri zurechtzufinden. Das Feld des Feminismus wird nach alter patriarchalischer Sitte von der Frau beackert. Roswitha Scholz sucht die „Bedeutung Adornos für den Feminismus heute“ und seine Negative Dialektik mittels ihrer Wert-Abspaltungskritik und ihre mittels seiner über sich hinauszutreiben – wenn sie auch nicht recht weiß, wohin.

Neben Nachrufen auf die Historiker Alfred Schmidt und Eric Hobsbawn, zwei kürzeren Buchrezensionen und einer Würdigung des „vergessenen Kommunistenrabbi“ Moses Hess zu seinem 200. Geburtstag gibt es auch Erheiterndes: Mit „Das Elend der Aufklärung: Antisemitismus/Antizionismus, Rassismus und Antiziganismus bei Immanuel Kant“ schließt Daniel Späth seine im vorigen Heft begonnene „ideologiekritische Analyse der kantischen Philosophie“ ab und stellt in Aussicht, sich als nächste Hegel und Adorno vorknöpfen zu wollen. Potztausend!

Den Autoren des Hefts scheint gemeinsam, daß sie zwar die Negative Dialektik beständig im Munde führen, sie aber nur instrumentell zu denken vermögen. Es wird sich zeigen, ob künftige Hefte von Exit! ohne Robert Kurz dem gesetzten theoretischen Anspruch gerecht werden, Teil der Lösung und nicht Teil des Problems zu sein, oder ob sie zu Sendschreiben von Wertabspaltungskritik-Aposteln verkommen.

Kontakt: „Exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft“, hrsg. vom Verein für kritische Gesellschaftswissenschaften e.V., erscheint im Berliner Horlemann Verlag, Heynstr. 28. Die Einzelhefte kosten zwischen 9 und 13 Euro.

www.horlemann.info

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