© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/13 / 11. Januar 2013

Frisch gepresst

Schriftsteller-Kollektiv. Helmut Böttiger, den der Klappentext seiner Geschichte der „Gruppe 47“ als einen der „renommiertesten Literaturkritiker des Landes“ ausweist, erfreute sich dieses schmeichelhaften Rufes nicht, wenn er je aus der linksliberalen Rolle gefallen wäre. Doch diesmal, in der Darstellung einer Schriftstellervereinigung, die zwischen 1947 und 1970 nicht nur den Literaturbetrieb dominierte, sondern auch die politische Öffentlichkeit maßgeblich prägte, scheint seine Anpassung an vorherrschende Denkmuster auch dem eigenen Lager auf die Nerven zu gehen. Böttiger fuchtle, so höhnt Alexander Cammann im Zeit-Feuilleton (Ausgabe vom 22. November 2012), wohl etwas zu heftig mit der „Nazikeule“ herum, um Kritiker der „Gruppe 47“ zu diskreditieren, während man von den NSDAP-Mitgliedschaften und militärischen Karrieren der Grass, Böll, Jens & Co. nichts erfahre. Nur bei Günter Eich, der „Symbolfigur“ der Gruppe, macht Böttiger eine Ausnahme, um ihm ein Hörspiel mit antikapitalistischer wie antibritischer Stoßrichtung, 1940 gesendet, als monströs aufgeblasene „Schuld“ vorzuhalten. Unter solchen Urteilsrastern fehlt natürlich auch nicht die Rede vom „Mief der Adenauer-Ära“, obwohl Böttiger viele bunte biographische Miniaturen bietet, die Klischees über eine intellektuelle Stickigkeit in der Bonner Republik eigentlich selbst widerlegen. (wm)

Helmut Böttiger: Die Gruppe 47. Als die deutsche Literatur Geschichte schrieb. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2012, gebunden, 478 Seiten, Abbildungen, 24,99 Euro

 

Heuschrecken. 2004 nahm der damalige SPD-Vorsitzende Franz Müntefering in einem Vortrag bei der Friedrich-Ebert-Stiftung mit der Metapher von den „verantwortungslosen Heuschreckenschwärmen, die im Vierteljahrestakt Erfolg messen, Substanz absaugen und Unternehmen kaputtgehen lassen, wenn sie sie abgefressen haben“, die künstlichen Quartiere der internationalen Finanzindustrie aufs Korn. Zwar ruderte er wenig später nach den üblichen Protesten zurück, doch hat sich das Bild der kapitalistischen Finanzheuschrecken im Gedächtnis der Öffentlichkeit eingeprägt. Der Schriftsteller und Zeichner Frank Mau hat nun eine Ehrenrettung der Heuschrecke vorgenommen und erklärt uns, warum Heuschrecken, Materialisten und Finanzinvestoren die wahren Idealisten sind. (WO)

Frank Mau: Reden wir über Heuschrecken. Nebensachen und Seitenblicke, Heft 10, Basilisken-Presse, Rangsdorf 2012, broschiert, 78 Seiten, 16 Euro

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