© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/13 / 11. Januar 2013

Private Altersvorsorge in Gefahr
Riester-Verträge: Ein gutes Geschäft für die Finanzindustrie, ein schlechtes Geschäft für die Rentner / Diskussion über Versicherungspflicht / Vorbild Schweden?
Jörg Fischer

Über zwölf Milliarden Euro an Zulagen sind innerhalb von zehn Jahren in Riester-Rentenverträge geflossen – finanziert vom Steuerzahler. Hinzu kamen Steuervorteile in Milliardenhöhe. Finanziert wurden damit vor allem üppige Provisionen oder Verwaltungskosten von Finanzdienstleistern, denn teilweise bis zu einem Fünftel des Montatsbeitrages können dafür draufgehen. Dennoch blieb den meisten Riester-Sparern bislang ein kleines Plus übrig. Seit der Finanz- und Euro-Krise ist selbst das Illusion: Am Ende der Vertragslaufzeit ist nicht mehr auszuschließen, daß manche Riester-Kunden weniger herausbekommen, als sie eingezahlt haben (JF 51/12).

Das Riester-Kapital wird zu einem gut Teil in Staatsanleihen investiert. Und in der Euro-Zone werden sie seit diesem Jahr mit einer Collective Action Clause (CAC) versehen. Diese Klausel ermöglicht nach dem Vorbild Griechenlands künftig rechtskräftige „Schuldenschnitte“, wenn drei Viertel der Anleihebesitzer zustimmen – sprich: der Staatsbankrott steht schon im Kleingedruckten. Was tun, wenn angesichts dessen immer weniger Deutsche bereit sind, ihr Geld in Riester-Verträgen zu versenken?

„Riestern“ gesetzlich erzwingen, so wie es der damalige SPD-Minister Walter Riester schon bei Einführung der nach ihm benannten Rente gefordert hat? „Leider gibt es wohl auch gegenwärtig dafür keine parlamentarische Mehrheit“, schreibt der einstige Gewerkschaftsführer Riester resignierend in seinem Beitrag im lesenswerten Vierteljahrsheft zur Wirtschaftsforschung (2/12) des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zum „Riester-Sparen“. Auch der in die Finanzbranche (Maschmeyer-Rürup AG) gewechselte Ökomon Bert Rürup bedauert, daß Riester-Verträge & Co. nicht „zur Pflicht“ gemacht wurden. Wie Peter Schwark vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft die Riester-Kosten kleinrechnet und Thomas Dommermuth (Institut für Vorsorge und Finanzplanung) die von seinen Kollegen vermittelten Produkte anpreist, kann ebenfalls nicht überraschen.

Aufschlußreicher sind hingegen die Beiträge des Mathematikers Axel Kleinlein (Bund der Versicherten) und von Barbara Sternberger-Frey (Magazin Öko-Test), die „Riestern“ aus Kundensicht analysieren. Johannes Leinert vom Infas-Institut konstatiert, wegen der Markt- und Produktintransparenz gäbe für die Riester-Anbieter ohnehin keinen Grund, kostengünstige Produkte anzubieten. Es bestünden sogar Anreize, Kostenüberschüsse zu generieren, da sie davon partizipieren würden. Die Gefahren der Euro-Krise, die schleichende Geldentwertung und die durch Überschuldung verursachte Enteignung der Sparer (JF 2/13) thematisieren sie, wie alle Autoren des Bandes, nur am Rande.

Aber was wären die Alternativen, wenn wegen der demographischen Entwicklung künftig immer weniger Vollzeitbeschäftigte immer mehr Rentner im Umlagesystem der Gesetzlichen Rentenversicherung zu alimentieren haben? Marlene Haupt und Sebastian Kluth vom Max-Planck-Institut für Sozialrecht (MEA) schildern hierzu die Vorteile der staatlich organisierten, kapitalgedeckten schwedischen Altersvorsorge. Mit einer Gesamtkostenquote von sechs Prozent sei dieses Modell zwar weit günstiger als Riester, aber „ein einmal etabliertes System läßt sich nicht ohne weiteres“ übertragen.

Bleibt zu ergänzen, daß Schweden keinen Euro hat und bei behördlich verwalteten Privatrenten nicht nur ein Kapitalmarktrisiko, sondern zudem die Gefahr staatlicher Eingriffe besteht. Dazu braucht es keinen verlorenen Weltkrieg, der einst den Kapitalstock der Bismarck-Rente vernichtete. Irland verwendete seinen Rentenfonds, um Banken zu „retten“ und unverkäufliche Immobilien vom Markt zu nehmen. Spanien kaufte mit dem Reservefonds der Sozialversicherung die eigenen Staatsanleihen auf.

DIW (Hrsg.): Riester-Sparen – Kontroverse Sichtweisen aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Duncker & Humblot, Berlin 2012, 279 Seiten, broschiert, 78 Euro

Collective Action Clauses in der Euro-Zone: www.europa.eu

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