© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/13 / 11. Januar 2013

Die CDU entdeckt die Wirtschaftsspionage als Kampfthema
Verspätete Einsichten
Markus Brandstetter

Gießkannen aus Kunststoff sind grün, billig und voller Weichmacher. Sie tropfen, sind schlecht verarbeitet, und wenn sie lange in der Sonne stehen, wird das Plastik brüchig. Man wirft sie weg, kauft eine neue und alles fängt von vorne an, außer wenn die Kanne von Koziol stammt. Die Gießkannen aus dem Odenwald sind bunt, haben ein originelles Design und halten ewig. Die Firma exportiert in 50 Länder und ist eine weltweit bekannte Marke, die seit Jahrzehnten Designpreise erhält.

Irgendwann haben auch andere Unternehmen gemerkt, daß man mit Koziol-Produkten gutes Geld verdienen kann. Da aber nicht jeder Wettbewerber über die Formgestalter, das technische Wissen und den über Jahrzehnte aufgebauten Markennamen verfügt, haben sich manche gedacht: Warum selber erfinden, was man doch nachahmen kann?

Deshalb wird vieles von Koziol kopiert und plagiiert, was dem mittelständischen Unternehmen Umsatzeinbußen in Millionenhöhe beschert. So geht es nicht nur Koziol, sondern vielen deutschen Firmen. Leichtmetallfelgen, Industriepumpen, Salatschneider, Bremsbeläge, Kettensäger, Matratzen, Knoblauchreiben, Einkaufskörbe, Lkw-Schiebeverdecke, Potenzpillen – es gibt nichts, was nicht gefälscht wird. Die Produktpiraterie kostet deutsche Firmen jedes Jahr etwa 50 Milliarden Euro. Den Schaden haben aber nicht nur Hersteller, sondern auch Kunden. Kopierte Motorsägen, bei denen beim ersten Sägeversuch der Handschutz abbricht, sind gefährlich, falsche Bremsbeläge und nachgemachte Medikamente manchmal tödlich. Wo die Produktpiraten ihren Sitz haben, ist seit langem bekannt: Die meisten kommen aus China, gefolgt von Südostasien und dem EU-Aspiranten Türkei.

Nun ist auch der CDU aufgefallen, daß Produktpiraterie und Industriespionage wichtige Themen sind. In einem neuen Positionspapier heißt es: „Der wirtschaftliche Erfolg der Exportnation Deutschland ist kein Selbstläufer. Er beruht auf Ideenreichtum, Innovation und Wissensvorsprung unserer Unternehmen.“ Diese Einsicht kommt reichlich spät. Daß der Mittelstand der Motor der Wirtschaft ist und unter unfairer Konkurrenz aus Asien zu leiden hat, ist ein Thema, das die Spatzen seit Jahren von den Dächern pfeifen.

Jetzt entdeckt die Regierungspartei, die sich in den letzten Jahren hauptsächlich mit dem Fortsetzen rotgrüner Atom- und Energiewenden, E10-Zwang und der Rettung Griechenlands beschäftigt hat, plötzlich wieder ihr Herz für den deutschen Mittelstand. Es ist nur allzu klar, warum das jetzt passiert: Es ist Wahljahr. Und da werden die mittelständischen Unternehmer und ihre Mitarbeiter als Wähler gebraucht. Und damit sie auch brav an der richtigen Stelle ihr Kreuzchen machen, muß die CDU vorher ein bißchen so tun, als lägen ihr die ureigensten Interessen des Mittelstandes am Herzen.

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