© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/13 / 04. Januar 2013

Die verflixte Dreizehn
Weltpolitik 2013: Neuordnungen in Nahost sowie im Machtpoker der großen drei
Günther Deschner

W enn es um die Besuchspolitik geht, hat China 2013 die Nase vorn. Nicht US-Präsident Barack Obama wird mit Rußlands altem und neuem Präsidenten Wladimir Putin tête-à-tête die Weichen der Weltpolitik stellen. Chinas neuer starker Mann, Xi Jinping, kommt ihm zuvor und wird bereits im März im Kreml erwartet. Dabei hatte Putin den US-Präsidenten gleich nach dessen Wahlsieg eingeladen, 2013 an die Moskwa zu kommen. Doch die Beziehungen sind angespannt. Entsprechend vage wird Obamas Reise auf die erste Jahreshälfte terminiert.

Moskau als neuer Nabel der Welt? Wenn es nach der EU geht, wohl eher nicht. Doch der Friedensnobelpreisträger 2012 spielt in der Weltpolitik auch 2013 seine Nebenrolle und kümmert sich ums Eingemachte. Damit werden Irland, das Anfang Januar die EU-Ratspräsidentschaft übernommen hat, und Litauen, das im Juli folgt, genug zu tun haben. Der EU-Beitritt Kroatiens im Juni bleibt da nur eine Randerscheinung.

Spannend wird es dagegen für FPÖ-Chef Heinz-Christian „HC“ Strache. 2013 ist sein Jahr der Jahre. Im Oktober stehen die österreichischen Parlamentswahlen an, und HC ruft zur „Entscheidung für Österreich“. Nach mehr als sieben Jahren Oppositionsarbeit will der 43jährige Strache Kanzler Werner Faymann (SPÖ) aus dem Amt drängen. Doch der Weg ist steinig. Zuvor hat die FPÖ in Salzburg, Tirol und Kärnten drei Landtagswahlen und die für den 20. Januar anberaumte Volksbefragung über die Wehrpflicht, bei der sich die Freiheitlichen für deren Erhalt aussprechen, zu bestehen.

Das Problem: Kurz vor dem Wahlmarathon gibt Österreichs Politik kein gutes Bild ab. Zwei von drei Österreichern haben laut Umfragen keine gute Meinung von der Regierung. Von den Oppositionsparteien allerdings auch nicht. Korruptionsaffären, Vorteilsnahmen und verheerende kommunale Spekulationsgeschäfte schrecken die Österreicher.

Etwas weiter südlich schreckt manchen die mögliche Wiederkehr Silvio Berlusconis und noch weiter südlich, auf dem „Gegenufer“ Italiens, wie Mussolini es nannte, schrecken die Folgen der „Arabellion“. Die politische Topographie eines „neuen Nahen Ostens“ wird sich weiter zerklüften. Im von Nato-Luftwaffen systemgewechselten Libyen werden große Gebiete von Milizen kontrolliert, und islamistische Kräfte wollen mehr Einfluß. Im von der islamistische Ennahda-Partei regierten Tunesien reißen die Massenproteste gegen die schlechten Lebensbedingungen nicht ab. Die Kluft zwischen islamistischen und nichtreligiösen Kräften wird immer tiefer. Angesichts der Krise ist es unklar, ob die für Juni angekündigten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen überhaupt stattfinden können.

Sicher fühlen kann sich in Nordafrika und im Orient jedenfalls kaum einer der neuen oder alten Präsidenten, Könige oder Emire. Der schwierigste Teil der Transformationsprozesse, der Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Korruption, steht noch bevor. In Ägypten gibt Staatschef Mursi den Mubarak und greift nach der unumschränkten Macht. Das Land ist tief gespalten. Daß die Religion zum wirkungsmächtigen Politikfaktor geworden ist, kann man kaum übersehen.

2013 wird noch deutlicher werden, daß es sich bei den „Arabellionen“ nicht um einen blühenden Frühling, sondern um eine grundlegende Verschiebung der Machtverhältnisse in einer sehr instabilen Region handelt. In allen betroffenen Staaten sind Islamisten an die Macht oder zu enormem Einfluß gekommen. Wo der Konflikt noch blutig ausgetragen wird wie in Syrien, ist es eine Frage der Zeit. Assads möglicher Sturz beinhaltet, daß auch in Damaskus ein syrischer Mursi Einzug halten wird. Ein Fundamentalisten-Streifen wird dann von Tunis über Kairo bis in die Levante, und in der schiitischen Variante bis nach Bagdad und Teheran reichen.

Was den Israel-Palästina-Konflikt angeht, droht obsolet zu werden, was Jahrzehnte auf der Tagesordnung stand – die „Zweistaatenlösung“. Mit der Realität einer Islamisten-Achse quer durch die Region wäre eine nächste Runde im Nahost-Konflikt noch schwerer zu beenden. Das politische Epizentrum dieser unruhigen Weltgegend hat sich in Richtung des Persischen Golfs und der Auseinandersetzung um die regionale Vorherrschaft zwischen Iran und Saudi-Arabien/Türkei und vielleicht auch Ägypten verschoben. Das sunnitisch-salafistische Weltbild ist im Nahen Osten auf dem Vormarsch.

Der Fall Assads wäre zudem eine schwere Niederlage für Teheran, denn damit verliert es mit seinem wichtigsten arabischen Bündnispartner auch die Verbindung zur Hisbollah im Libanon. 2013 wäre dann auch das historische Datum für den Aufstieg des politischen Sunni-Islam zum entscheidenden Machtfaktor.

Im Juni 2013 wählen die Iraner zudem einen neuen Präsidenten. Mahmud Ahmadinedschad wird es nicht mehr werden. Ein drittes Mal in Folge darf er gemäß dem iranischen Wahlrecht nicht mehr für das Präsidentenamt kandidieren. Doch ob es den Persern etwas bringt, wenn sie einen weltmännischer auftretenden, konzilianteren Präsidenten wählen, steht dahin. Washington jedenfalls wird seine Ansprüche am Golf angesichts der strategischen Bedeutung seiner Verbündeten in der Region – Saudi-Arabien, Türkei, Israel – kaum aufgeben.

Nicht zu vergessen: Auch in Israel wird am 22. Januar ein neues Parlament gewählt. Ob etwas anderes dabei herauskommt als eine Fortsetzung der Regierung Netanjahu? Es wird sich weisen. Aber wie sollte man glauben, daß der hochexplosive Knoten aus amerikanischen, iranischen und israelischen Interessen gelöst werden kann? Nicht mal die Kalender der Beteiligten stimmen überein. Während man in den USA das Jahr 2013 schreibt, sind wir nach dem iranischen Kalender im Jahr 1391/1392, und Israel ist noch weiter weg: Nach dem hebräischen Kalender befindet sich Israel schon im Jahr 5773/5774.

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