© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 - 01/13 / 21./28. Dezmber 2012

Der Flaneur
Wir geben Ihren Steuern einen Sinn!
Exklusiv der JF zugespielt: Die Neujahrsansprache von Bundeskanzlerin Angela Merkel– hier gekürzt im Vorabdruck
(JF)

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, liebe Migrantinnen und Migranten,

wir blicken auf ein Jahr zurück, in dem wir als Bundesregierung wie nie zuvor versucht haben, Ihren Steuerzahlungen einen Sinn zu geben. Denn Sie sehen nicht nur wie in den Vorjahren auf Ihren Gehaltsabrechnungen, was Sie monatlich für die gute Sache aufbringen. Sie wissen mit dem Ende dieses Jahres auch sehr genau, wo wir Ihre Gelder einsetzen: in Südeuropa, das wir alle aus unseren Ferien kennen und lieben.

Heute zum Jahreswechsel kann ich in diesem Zusammenhang das erste Mal voller Stolz über ein Projekt sprechen, das mein Finanzminister und ich in aller gebotenen Diskretion eingefädelt haben. Im Rahmen des Bürokratieabbaus haben wir ein Abkommen mit dem griechischen Fiskus geschlossen, das bereits morgen, zum 1. Januar, in Kraft tritt. Dieser bilaterale Vertrag regelt, daß die Athener Steuerbehörden, mit denen wir in partnerschaftlichem Austausch stehen, die deutschen Steuergelder ab sofort direkt erhalten. Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, müssen dann nicht mehr umständlich wie bisher Ihre Abgaben an Ihr regionales Finanzamt leisten. Unsere griechischen Freunde buchen Ihre Steuern ab sofort einfach und bequem direkt von Ihren Konten ab. Der deutsche Staat spart damit viele Millionen Euro pro Jahr an Überweisungsgebühren. Dieser Schritt zeigt: Wir füllen die Schuldenbremse mit Leben und gewinnen dadurch alle ein Mehr an Lebensqualität.

Im morgen beginnenden Jahr werden wir weitere solcher Verträge schließen. Verbindliche Vorgespräche haben bereits stattgefunden mit unseren Partnern aus Italien, Spanien, Zypern und Malta. Auch mit meinem Freund aus dem Élysée-Palast habe ich schon über ein vergleichbares Abkommen gesprochen. Ich bin François Hollande ausgesprochen dankbar dafür, daß er sich in dieser Sache sehr offen zeigt. Vor dem Hintergrund unserer Geschichte ist das nicht selbstverständlich. Mit der Annahme dieses Vertrages reicht uns unser Nachbar endgültig die Hand zur Versöhnung. Und darüber können wir nicht glücklich genug sein.

Ich bin ganz sicher, daß Wolfgang Schäuble und ich diese Abkommen in Ihrem Interesse schließen. Denn die Entlastungen des deutschen Steuerzahlers bei den Bankgebühren gehen nach Gültigkeit all dieser Verträge sogar in die Milliarden. Wir halten damit ein weiteres Wahlversprechen: Wir wollten den Steuerzahler entlasten – und wir tun es. Auch und gerade mit der Praxisgebühr, die wir aufgehoben haben.

Aus vielen Briefen, die mich täglich im Kanzleramt erreichen, weiß ich, wie wichtig es Ihnen ist, daß Sie wissen, was mit Ihrem Geld passiert und wofür wir es verwenden. Das betrifft nicht nur Ihre Steuern, sondern auch Ihre Sozialabgaben. Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik gab es so viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse wie heute.

Das heißt: Nie zuvor haben sich so viele Deutsche an dieser mildtätigen Umverteilung beteiligt. Und daher spreche ich nicht nur Ihnen, liebe Mitbürger, meinen Dank aus. Sondern ich tue das in Ihrem Namen auch gegenüber jenen Menschen, die als Zuwanderinnen und Zuwanderer zu uns kommen. Denn sie stiften in der sozialen Frage, die immer schon von Geben und Nehmen bestimmt war, einen Sinn. Ist das nicht gerade zum Abschluß des Jahres ein Grund zur Freude für uns alle? Daß wir hier helfen können? Denn Sie und ich – wir wissen gleichzeitig, wie viele dieser Menschen, von Einzelfällen abgesehen, unsere Kultur mit ihrer Herzlichkeit und Lebensfreude bereichern.

Lassen Sie mich zum Abschluß noch ein Projekt ansprechen, das mir sehr am Herzen liegt und bei dem wir alle gemeinsam an einem Strang ziehen wollen. Als einziges Industrieland der Welt haben wir einen Großteil unserer funktionsfähigen Kernkraftwerke abgeschaltet und werden alle noch verbliebenen vom Netz nehmen. Ich bitte Sie herzlich um Ihre Mitarbeit am Zukunftsprojekt der Energiewende: Betätigen Sie den Lichtschalter! Dann klappt es in unserem Land vielleicht auch wieder besser mit dem Kinderkriegen. Dafür bin ich Ihnen sehr dankbar. Einige wenige sind unter uns, die der Anpassung ihrer Stromrechnung gegenüber noch skeptisch sind. An diese Menschen wende ich mich heute ganz direkt mit dem Wort eines Philosophen auf dem Thron. Friedrich der Große sagte einst: „Je mehr ich von den Menschen sehe, um so lieber habe ich meinen Hund.“

Ich bin sicher: Gemeinsam schaffen wir’s! Wir alle können zuversichtlich in die Zukunft schauen. In diesem Sinne wünsche ich allen Menschen in unserem Land ein gutes, gesundes und erfolgreiches neues Jahr 2013.

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