© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 - 01/13 / 21./28. Dezmber 2012

Die Götter in Weiß kämpfen um ihren Ruf
Politische Plagiatsaffären beschädigen am stärksten das Ansehen medizinischer Promotionen
Christoph Keller

Anders als der des Plagiats überführte frühere CSU-Hoffnungsträger Karl-Theodor zu Guttenberg scheint die Wissenschaftsministerin Annette Schavan (CDU) ihre „Jugendsünde“ nicht mit einem Rücktritt bezahlen zu müssen. Zu ihren Gunsten wog die bildungspolitische „Lebensleistung“ das moralische Versagen einer Doktorandin auf, deren pädagogische Dissertation über „Person und Gewissen“ ohnehin wissenschaftlich belanglos war.

Der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Frank-Olaf Radtke hat aber gerade diese auf vermeintliche Verdienste verengte Dimension thematisiert, um die Frage anzudeuten, ob es nicht einen Zusammenhang gebe zwischen einer akademischen Auslese, die charakterliches und intellektuelles Mittelmaß prämiere, und einer aus diesem Feld rekrutierten politischen wie ökonomischen „Elite“, die unentwegt Krisen produziere (FAZ vom 14. November 2012).

Offenbar sei die frühe Versagerin Schavan exakt der benötigte Typus gewesen, um das deutsche Bildungssystem mit „betriebswirtschaftlichen Mitteln“ zu zerstören, es vom Kindergarten bis zum Forschungslabor unter Effizienzdruck zu setzen und auf „globale Wettbewerbsfähigkeit“ zu trimmen. Diese gescheiterte „Bologna-Reform“ rede Schavan, „in bester DDR-Manier realitätsblind“, bis heute schön.

Ein fragwürdiges Promotionssystem, das Blendern oder willigen Vollstreckern den Karrierestart erleichtert, bleibt daher auch jenseits spektakulärer Affären in der Kritik. Zumal Wortmeldungen von Wissenschaftsrat, Hochschulverband, Fakultätstag und prominenten Plagiatsexperten wie dem Bonner Juristen Wolfgang Löwer (Deutsche Universitäts-Zeitung, 12/12) nur wenig Zuversicht verbreiten, das Problem der „Qualitätssicherung“ bei jährlich 25.000 Promotionen in den Griff bekommen zu können.

Naturwissenschaftler blieben von der Plagiatsdebatte weitgehend verschont – mit einer Ausnahme: Die medizinische Promotion gilt seit langem als wissenschaftlich zweitklassig, der Dr. med. als „Türschilddoktor“, als Belohnung für „Flachforscher“. Ein Positionspapier des Wissenschaftsrates – er berät die Regierungen von Bund und Ländern in Hochschulfragen – befand schon im November 2011, der Dr. med. entspreche nicht den Standards anderer naturwissenschaftlicher Promotionen. Wie zur Bestätigung sorgt die Entdeckung einer medizinhistorischen „Doktorfabrik“ in Würzburg für Aufregung, wo anscheinend ein Teil der 250 Dissertationen nach Vorlagen des „Doktorvaters“ Gundolf Keil entstanden sind (Die Zeit 47/12).

Um ihren arg lädierten Ruf besorgt, gehen die Mediziner daher in die Offensive. Die medizinische Promotion, so deuten Forscher um den Hannoveraner Immunmorphologen Reinhard Pabst ihre an der dortigen Medizinischen Hochschule (MHH) erhobene Studie, sei „besser als ihr Ruf“. Keineswegs würden Mediziner am Fließband promoviert. Nur knapp 60 Prozent der Absolventen erhielten den Doktorhut. Spitzenreiter seien vielmehr Physiker und Chemiker, von denen 78 bis 91 Prozent promovieren. Auch sei der zeitliche Aufwand mit 47 Wochen bei medizinischen Doktoranden größer als vermutet. Für die wissenschaftliche Relevanz spreche, daß viele Ergebnisse in internationalen Zeitschriften erschienen. Um der Presse nicht mit Einzelfällen weiteren Stoff zu liefern, sollten Promotionsordnungen „kritisch überarbeitet“, Sanktionen gegen Plagiatoren verschärft und Dokumentationen der Doktorarbeiten zu Kontrollzwecken verbessert werden.

R. Pabst, D.-H.Park, V. Paulmann: Die Promotion in der Medizin ist besser als ihr Ruf. Deutsche Medizinische Wochenschrift 45/12

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