© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 - 01/13 / 21./28. Dezmber 2012

Deutsche Bücher in Rußland: Kafkaeske Dialogsimulation
Die Einbahnstaße der Beutekunst
(ft)

Olaf Hamann, Leiter der Osteuropa-Abteilung der Berliner Staatsbibliothek, ist der Sprache Orwells mächtig. In seiner Übersicht über den „Deutsch-Russischen-Bibliotheksdialog“ (Bibliotheks-Magazin. Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken in Berlin und München, 3/2012) nennt er die im Rücken der Wehrmacht sichergestellten Bücher sowjetischer Bibliotheken „Raubgut“, die von der Roten Armee 1945 in deutschen Museen, Bibliotheken, Archiven und Antiquariaten erbeuteten Schätze hingegen „Abtransporte“ oder „kriegsbedingte Verlagerungen“. Allein bei den Büchern handelt es sich um mindestens 1,5 Millionen Bände, die heute in Rußland lagern. Hinzu kommen Bücher und Handschriften der Preußischen Staatsbibliothek in Krakau, die Polen völkerrechtswidrig zurückhält. Mit dem 1999 in Kraft getretenen „Beutekunstgesetz“ wurden in Rußland alle gestohlenen Kulturgüter zum Eigentum des Staates erklärt. Trotzdem restituiert die deutsche Seite fleißig auch die allerletzten Bücher aus Sowjetbesitz, zuletzt im Mai 2012 satte neun Bücher an die Universität Smolensk. Im Gegenzug erhalten die Bundesdeutschen nichts, dürfen aber weiter „Dialog“ simulieren. Ohne Aussicht auf Rückgabe, nur in der Hoffnung, von den Russen wenigstens den heutigen Standort des Raubguts zu erfahren, sollen die Gespräche im Herbst 2013 fortgesetzt werden.

http://staatsbibliothek-berlin.de

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