© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 - 01/13 / 21./28. Dezmber 2012

Ein Leben voller Widersprüche, ein Tod voller Rätsel
Schauspielerin, Sexgöttin und verstörtes Kind: Die Filmdokumentation „Marilyn Monroe: Ihr letzter Auftritt“ ist jetzt neu als DVD erschienen
Werner Olles

Sie las Rilke, Faulkner und Steinbeck, empfand sich aber selbst als blondes Dummchen. Zeit ihres Lebens glaubte Marilyn Monroe, sie sei eine Fälschung, erschien zu den Dreharbeiten ihrer letzten Filme vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln und mußte sich doch vor fast jeder Szene übergeben. Halb Königin, halb verstörtes Kind, eine Komödiantin des Sex, die von einer Karriere als große Tragödiendarstellerin träumte, diesen Traum aber nur in ihrem Privatleben erfüllen konnte. In ihrer Angst vor den einsamen Nächten verschrieb sie sich der Welt der Psychoanalyse.

Im August 2005 übergibt der ehemalige Bezirksstaatsanwalt von Los Angeles, John Miner, einem Redakteur der Los Angeles Times ein Tonbandprotokoll mit den Aufzeichnungen der letzten Gespräche, die Marilyn Monroe mit ihrem langjährigen Psychoanalytiker Ralph Greenson führte. Basierend auf diesen Protokollen und auf dem Roman „Marilyns letzte Sitzung“ versucht die Dokumentation „Marilyn Monroe: Ihr letzter Auftritt“ (2008) des Regisseurs Patrick Jeudy dem Rätsel ihres ebenso glanzvollen wie tragischen Lebens und ihres frühen, mysteriösen Todes auf die Spur zu kommen.

Was dabei herauskommt, stellt sich dem Zuschauer als ein unauflösbares Knäuel von Widersprüchen, Zwängen und Verrücktheiten dar. Ohne Schmerz zu zeigen erzählt die Monroe von den schmerzhaftesten Dingen: Abtreibungen, Fehlgeburten, gescheiterten Selbstmordversuchen, der ewigen Sehnsucht nach einem Kind, dem Trauma, in ihrer eigenen Kindheit nicht geliebt worden zu sein, ihren fehlgeschlagenen Ehen und zahllosen Affären.

Marilyn litt unter den Schmähungen ihrer Filmpartner und Regisseure. Laurence Olivier nannte sie öffentlich eine „Schlampe“ und „Nervensäge“. John Huston, Regisseur ihres letzten Films „Misfits – Nicht gesellschaftsfähig“, antwortete auf ihre Frage, warum er sie ausgesucht hatte: „Na, weil du eine Nutte bist. Laß den Quatsch mit den Actors Studios!“ Arthur Miller bezeichnete sie nach der Scheidung als „eine unberechenbare Kindfrau, verloren und selbstsüchtig“. Um den Schmerz zu ertragen gibt sich die Monroe immer hemmungsloser starken Beruhigungs- und Schlafmitteln hin, ist ständig zu spät am Set, vergißt ihren Text und bleibt für das Kinopublikum doch weiter das Aphrodisiakum auf Zelluloid: In Wahrheit ein geschundener Körper, dem Blitzlicht preisgegeben.

Im Mai 1962 führte sie Peter Lawford, der „Zuhälter der Kennedy-Brüder“, im Anschluß an die Geburtstagsfeier des US-Präsidenten, auf der sie – inzwischen eine Karikatur ihrer selbst – ihr legendäres „Happy Birthday“-Liedchen ins Mikrofon hauchte, ein letztes Mal dem Präsidenten zu, danach erklärte der ihre Affäre für beendet. Am 5. August 1962 stirbt sie mutterseelenallein an einer Überdosis. Hat jemand sie ihr verabreicht? Was hat Marilyn umgebracht: Hollywood, die Politik, die Mafia, der Sex, mangelnde Liebe? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.

DVD: Marilyn: Ihr letzter Auftritt. Premium Edition mit Bildband. Koch Media 2012, Laufzeit etwa 92 Minuten

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