© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 - 01/13 / 21./28. Dezmber 2012

„Langfristig denken und strategisch planen“
Interview: Der Unternehmer Georg Haber über die Restaurierung des Denkmals von Friedrich Wilhelm IV. und die Zukunft des Handwerks
Wolfhard H. A. Schmid

Herr Dr. Haber, mit Ihrem Unternehmen haben Sie sich in Deutschland und auch international einen guten Namen gemacht – von der Restaurierung des Reiterstandbildes in Lüneburg über die Wartungsarbeiten an der Quadriga auf dem Brandenburger Tor bis zur Neuvergoldung der Turmspitzen des Grazer Mausoleums. Wie kam es zu diesem Erfolg?

Haber: 1983, kurz nach meinem BWL-Examen, wurde ich mit Zustimmung meines Vaters zur Sanierung des damaligen Wettbewerbers Brandner gerufen und bald darauf in dieser Familien-AG zum Vorstand bestellt. Nachdem ich erkannt hatte, daß das kirchliche Kunsthandwerk stagnieren würde, war mein Ziel, den Betrieb im Bereich Denkmalpflege weiterzuentwickeln. Dafür habe ich dann mit unserer traditionellen Werkstatt Haber und der Brandner AG die Firma Haber & Brandner als GmbH gegründet. Nach dem Fall der Berliner Mauer arbeiteten wir anfänglich als Subunternehmer für den ehemaligen VEB Denkmalpflege in Berlin. Bereits nach kurzer Zeit hatten wir uns einen guten Namen bei den Denkmalpflegebehörden gemacht und gründeten schon 1992 einen Nebenbetrieb im Wedding, den wir 1995 nach Berlin-Weißensee verlagerten. Unser Durchbruch war hier der Auftrag zur Restaurierung des Reiterstandbildes von Friedrich Wilhelm IV. auf der Freitreppe der Alten Nationalgalerie.

Durch Ihre lange Erfahrung bei der Restaurierung kirchlicher Kunst und von sakralem Gerät ist Ihre Firma auch beim Vatikan sehr angesehen. Waren die Regensburger Wurzeln von Papst Benedikt XVI. dabei ein Vorteil für Sie?

Haber: Nein! Es bestanden über meinen Vater schon vorher Kontakte zum damaligen Kardinal Ratzinger. Für ihn hatte er 1977 den Kardinalsstab gefertigt. Auch der Entwurf des sogenannten Papstkelches stammte von ihm. Da es mir beim Besuch des Heiligen Vaters 2006 in Regensburg nicht gelungen war, dem Heiligen Vater diesen Kelch zu überreichen, erhielt ich auf Fürsprache seines Bruders eine Audienz in Rom und konnte so das Geschenk persönlich übergeben. Ein unvergeßliches Erlebnis!

Beruht Ihr Erfolg nicht auch darauf, daß Sie als Chefrestaurator die Aufträge selbst betreuen und so gegenüber potentiellen Auftraggebern überzeugend auftreten können?

Haber: Als Einzelkämpfer kann man nicht erfolgreich sein, ich bin ein überzeugter „Teamplayer“.

Ihr Unternehmenssitz Regensburg liegt nur anderthalb Autostunden von der tschechischen Grenze entfernt. Immer mehr Firmen aus Mittel- und Osteuropa drängen auf den deutschen Markt – eine ernstzunehmde Konkurrenz für Sie?

Haber: Überhaupt nicht! Ursprünglich hatten wir zwar gewisse Bedenken, dann ist aber das Gegenteil eingetreten. Wegen unserer hohen Spezialisierung und unserer Referenzen haben wir mittlerweile sogar Aufträge in Polen und Tschechien bekommen.

Die kritischen Stimmen zum Thema Euro werden auch beim Mittelstand immer größer. Könnte die Euro-Krise Ihre unternehmerischen Pläne bremsen?

Haber: Da wir mit 90 Prozent unseres Umsatzes vorrangig vom EU-Binnenmarkt abhängig sind und 80 bis 85 Prozent unserer Aufträge über die öffentliche Hand bekommen, werden wir, wenn überhaupt, eine negative Entwicklung erst in anderthalb bis zwei Jahren zu spüren bekommen. Als Staatsbürger sehe ich das Ganze aber mit einer gewissen Skepsis. Klarere Aussagen seitens der Verantwortlichen wären wünschenswert.

„Scheitert der Euro, scheitert Europa“, sagt Angela Merkel. Euro-Kritiker, die es auch in Ihrer Partei, der CSU, gibt, sehen hingegen im Euro den Spaltpilz für Europa. Welche Meinung vertreten Sie?

Haber: Als Verwaltungsrat einer Sparkasse habe ich mich mit den Basel-II-Eigenkapitalvorschriften beschäftigt. Nun setze ich mich mit den möglichen Negativfolgen von Basel III für Mittelstand und Handwerk auseinander – Stichwort Kreditklemme. Ich sage immer, Europa ist recht, aber bitte nicht zuviel Europa. Die unterschiedlichen Unternehmenskulturen werden meines Erachtens viel zuwenig respektiert. Wir Unternehmer in Deutschland und Österreich haben gelernt, langfristig zu denken und strategisch zu planen. Kurzfristiger Erfolg interessiert uns nicht. Dazu brauchen wir aber Planungssicherheit. Daher müssen wir uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln dagegen zur Wehr setzen, daß uns in Brüssel angelsächsische Modelle aufoktroyiert werden, die dort längstens gescheitert sind, obwohl wir hier in Deutschland außerordentlich erfolgreich agieren.

Viele Unternehmer stöhnen über die Kosten der Energiewende – Sie auch?

Haber: Das Thema berührt mich als Unternehmer weniger, jedoch natürlich als Staatsbürger. Ich war schon immer ein Gegner der Kernkraft. Um so mehr habe ich eine Energiewende herbeigesehnt. Ich vermisse jedoch die Konsequenz aus den politischen Beschlüssen. Ich prangere die schlechte Umsetzung an. Ein professionelles Projektmanagement fehlt völlig!

Teile der deutschen Wirtschaft fordern mehr Zuwanderung aus aller Welt, um den Mangel an Fachkräften zu beheben. Andererseits stehen in der EU Millionen Arbeitskräfte zur Verfügung. Zudem leben in Deutschland bereits Hunderttausende Einwanderer, die arbeitslos sind. Wie sehen Sie die Problematik?

Haber: Fachkräftemangel ist ein bedeutendes Thema im gesamten Handwerk, auch bei uns. Wir haben ein Drittel Akademiker und zwei Drittel handwerkliche Fachkräfte beschäftigt. Im Akademikerbereich bekommen wir exzellent ausgebildete Bewerber von den Hochschulen. Die Suche nach geeignetem handwerklichem Nachwuchs gestaltet sich aber immer schwieriger – und die Schülerzahlen sinken wegen rückläufiger Geburtenzahlen weiter. Da heißt es, nicht resignieren, sondern agieren. Wir müssen gezielt junge Menschen aus EU-Staaten mit hoher Jugendarbeitslosigkeit für eine berufliche Tätigkeit in Deutschland gewinnen und sie langfristig in unsere Gesellschaft integrieren.

Die Wirtschaft klagt auch über immer schlechter für den Beruf qualifizierte Schulabgänger. Tugenden wie Pünklichkeit und Zuverlässigkeit seien bei vielen Lehrlingen unterentwickelt. Ist das auch Ihre Erfahrung?

Haber: Ja, absolut! Die Schule hat den Grundauftrag, dafür zu sorgen, daß die Ausbildungsfähigkeit der Abgänger gewährleistet ist. Gefordert ist aber ein Zusammenwirken aller Akteure. So haben die Eltern darauf einzuwirken, daß die jungen Leute ausbildungswillig sind. Und wir aus der Wirtschaft müssen frühzeitig eine berufliche Orientierung anbieten. Das Handwerk ist diesbezüglich gut aufgestellt. Weil die Denkmalpflege mit einer gewissen Aura versehen ist, haben wir noch ausreichend Bewerbungen. Deshalb können wir immer noch eine gute Auswahl beim auszubildenden Nachwuchs treffen.

Die Volksparteien haben das Thema Rente wiederentdeckt. Aber woher soll das Geld zukünftig kommen?

Haber: Es geht um die Frage der Nachhaltigkeit unserer sozialen Sicherungssysteme. Da fehlt mir bisher der langfristige Aspekt. Man sollte darüber nachdenken, ob es eine gute Lösung ist, Leute einfach länger arbeiten zu lassen. Die Familie muß wieder in den Fokus gestellt werden. Ein großangelegtes, auf lange Sicht ausgerichtetes Familienförderungskonzept wird für Stabilität und einen gerechten Ausgleich zwischen den Generationen sorgen können.

Und was ist mit den Geringverdienern?

Haber: Bei den sogenannten Minijobbern müssen Arbeitgeber rund 30 Prozent an Sozialabgaben und Steuern abführen. Als Möglichkeit für einen Zusatzverdienst finde ich derartige Beschäftigungsverhältnisse durchaus in Ordnung, denn sie tragen dazu bei, die Leute von der Schwarzarbeit abzuhalten.

Mit einem Anteil von über 60 Prozent am Bruttoinlandsprodukt ist die mittelständische Wirtschaft der bedeutendste Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Wegen ihrer heterogenen Struktur ist sie in der Öffentlichkeit aber nur unterrepräsentiert …

Haber: Das ist nicht nur ein Nachteil, sondern ein Riesenproblem! Mittelstand und Handwerk müssen sich Politik leisten, soll heißen, wir müssen dafür sorgen, daß mehr Mittelständler bereit sind, sich politisch zu engagieren und in die Parlamente gewählt werden. Sicher ein schwieriges Vorhaben, allein wenn ich daran denke, wie schwierig es für einen Quereinsteiger ist, sich innerparteilich durchzusetzen.

 

Handwerkstradition von 150 Jahren

Die Firma Haber & Brandner kann auf eine über 150jährige Tradition zurückblicken. Als Werkstatt für kunsthandwerkliche Metallbearbeitung gegründet, hat sich das Unternehmen mit Sitz in Regensburg und Berlin auf drei Bereiche spezialisiert: Metallrestaurierung, Kirchenbedarf und Kunsthandwerk. Angefangen bei den gußeisernen Laternen an der Alten Oper in Frankfurt am Main über Bronzeportale am Kölner Dom bis zu Werkzeugmaschinen im Solinger Industriemuseum – dank 40 Experten werden Metallobjekte mit bewährter und neuester Techniken wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt. Der dauerhafte Wartungsvertrag für den Erhalt der Quadriga vom Brandenburger Tor zeigt die hohe Reputation. Zweiter Schwerpunkt sind hochwertige Kirchengeräte für die christliche Liturgie. Eine umfangreiche Auswahl aus eigener Produktion findet sich im Regensburger Ladengeschäft. Im dritten Bereich bietet man im Direktkontakt Problemlösungen für Künstler, Architekten, Designer und Entscheidungsträger im Bereich Kunst, Kultur und Denkmalpflege an. Bei Haber & Brandner arbeiten Kunsthistoriker, Diplomrestauratoren, Metallrestauratoren und Handwerker eng zusammen. Durch die Teilnahme an Forschungsprojekten bleibt man auf dem neuesten Stand der Konservierungstechnologien, um die führende Position auch für die Zukunft zu erhalten.

Haber & Brandner Metallrestaurierung: www.haber-brandner.de

Foto: Firmenchef Haber mit Ehefrau auf dem Brandenburger Tor: Familienunternehmen aus der Oberpfalz

 

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