© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 - 01/13 / 21./28. Dezmber 2012

Der Staat soll es richten
Integration: Die junge türkischstämmige Autorin Melda Akbas über ihren Weg in die deutsche Gesellschaft
Thorsten Brückner

Wie integriert ist unsere Stadt?“ Mit dieser Frage lud vergangene Woche die Friedrich-Naumann-Stiftung zur Diskussion mit der Berlinerin Melda Akbas. Die 21jährige ist dabei ein Musterbeispiel für Integration. Sie spricht nach eigener Aussage besser Deutsch als Türkisch, studiert mittlerweile Jura und avancierte vor zwei Jahren mit dem Buch „So wie ich will – Mein Leben zwischen Moschee und Minirock“ zur erfolgreichen Autorin. Darin beschreibt sie ihren Konflikt als türkischstämmige deutsche Jugendliche zwischen zwei Welten. Zwischen Jungs und moderner westlicher Kleidung auf der einen und dem strengen „scheinreligiösen“ Vater auf der anderen.

Dabei erwies sich Akbas bereits früh als Rebellin. In dem Buch beschreibt sie, wie sie eine moslemische Mitschülerin, deren neues Kleid der Mutter zu kurz war, aufforderte, es gegen den Willen der Eltern zu behalten. Was für sie in der eigenen Familie galt, rät sie daher auch heute jungen türkischen Mädchen: „Zieht es durch! Man muß den Mut haben, sich zu zoffen.“

Sie selbst sieht sich dennoch nicht als Integrationsmodell. Die fast flehentliche Frage von RBB-Moderator Ingo Hoppe, warum es nicht mehr von ihrer Sorte gebe, beantwortet Akbas damit, daß es viele Wege zur Integration gebe. „Wenn andere Türkinnen andere Einstellungen haben, sind sie deswegen nicht weniger integriert.“ Neben Frauen, die ihrem eher liberal-emanzipierten Beispiel nacheiferten, gebe es auch solche Frauen, die heimlich einen Freund haben, aber dennoch weiter religiös leben wollen. Auch Beispiele moslemischer Jungs, die erst beten und danach zum Kiffen gehen, seien ihr bekannt. Akbas gibt zu, daß ihr Buch vor allem an junge Frauen gerichtet ist, die in ihren Augen der Motor gelungener Integration seien. „Außer Cem Özdemir gibt es einfach keine positiven Männerbeispiele für gelungene Integration. Da wird noch viel zu wenig gefördert“, klagt sie. Auch in ihrer Familie sei es die Mutter gewesen, die mit einem erfolgreichen Schulabschluß der Tochter ein Vorbild war, daß über Bildung der Aufstieg möglich sei. Sie habe jedoch auch schon Briefe von Mädchen bekommen, die aus ihrem streng katholisch-religiösen Hintergrund ausbrechen wollten

Akbas sieht die Verständigungsschwierigkeiten zwischen Türken und Deutschen vor allem in der mangelnden Kommunikation. Vorurteile und Rassismus macht sie dabei auf beiden Seiten aus. Zu schaffen mache ihr jedoch neben dem angeblichen Alltagsrassismus, der sich in schiefen Blicken und einer Abwehrhaltung gegenüber Fremden äußere, vor allem die positive Diskriminierung. Es sind Sätze wie „Man merkt dir ja gar nicht an, daß du Ausländerin bist“, die bei der deutschen Staatsbürgerin, die die Türkei nur aus Familienurlauben kennt, für Fassungslosigkeit sorgen. Auch kritisiert Akbas, daß Migranten in Deutschland häufig keine echte Chance bekämen. Dies läge einerseits am mangelnden Willen deutscher Arbeitgeber, auch türkische Jugendliche einzustellen, andererseits aber auch an den geringen Verdienstchancen. „In vielen Berufen verdient man in Deutschland nur die Hälfte von dem, was man in der Türkei bekommen würde“, behauptet sie.

Daß die Berlinerin, die bis zur Aufnahme ihres Studiums in Hamburg nie außerhalb des Stadtteils Schöneberg gewohnt hat, voll in die deutsche Gesellschaft integriert ist, kann man auch an ihren Lösungsstrategien zur Integrationsproblematik erkennen: Der Staat soll es mal wieder richten. „Schulen mit 95 Prozent Migrantenanteil gehören abgeschafft“, forder sie etwa, oder: „Kindergartenjahre verpflichtend gemacht“ und „Einwandererkinder sollte man nach dänischem Vorbild in Busse stecken und sie auf verschiedene Stadtteilschulen verteilen“. Und überhaupt müßte man mehr Lehrer mit Migrationshintergrund einstellen. Daß sie bei solchen Vorschlägen aus ihrem Mund nach eigenen Angaben den Namen Thilo Sarrazin nicht mehr hören kann, verwundert da ein wenig.

Melda Akbas: So wie ich will: Mein Leben zwischen Moschee und Minirock. C. Bertelsmann Verlag, 2010, broschiert, 240 Seiten, 14,95 Euro

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