© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

Kein leichtfertiges Geschwätz
Buch zur Euro-Krise: Sammelband des Ökonomen Dirk Meyer zur Zukunft der Währungsunion / Vorschläge zur Abwicklung eines gescheiterten Politikprojekts
Christian Dorn

Vor der Verabschiedung des zweiten „Griechenland-Pakets“ monierte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, es sei unklar, „worüber der Bundestag eigentlich abstimmen soll“. Dennoch hat seine Partei dem unter der Ägide von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ausgearbeiteten Milliardentransfer wie immer zugestimmt.

Eine fachkundige Erklärung existierender Alternativen liefert der Ökonom Dirk Meyer von der Bundeswehruniversität Hamburg in dem von ihm herausgegebenen Band über „Die Zukunft der Währungsunion“. Mit Ausnahme des devoten Vorworts von Helmut Schmidt, der den Euro explizit als gegen Deutschlands Souveränität gerichtetes Währungsmittel rechtfertigt, besticht des Buch durch die fachlich versierten Beiträge teils namhafter Wirtschafts- und Finanzexperten, die vor allem als vielstimmige Antithese zum Altkanzler zu verstehen sind, der Euro-Kritikern „leichtfertiges Geschwätz“ vorwirft.

Dabei dekonstruieren bereits die zwei anderen Geleitworte von Václav Klaus und Arnulf Baring die heilsgeschichtliche Apologetik des Euro. So verweist der tschechische Präsident auf den fehlenden homogenen Wirtschaftsraum, wofür allein Italien (wo Klaus einst studierte) als abschreckendes Beispiel dienen könne, dem es trotz der politischen Einigung vor 150 Jahren nicht gelungen sei, eine einheitliche Volkswirtschaft aufzubauen.

Von dem Historiker Baring stammt der überraschendste Beitrag: Es ist das dritte Kapitel seines 1997 erschienenen Buches „Scheitert Deutschland?“ Dort skizziert er in erschreckend prophetischer Manier exakt jenes Schauspiel zur „Euro-Rettung“, das heute Realität ist. Es ist die Erkenntnis, daß die Währungsunion „am Ende auf ein gigantisches Erpressungsmanöver“ hinauslaufe, das Deutschland – analog zu Versailles – zu endlosen Zahlungen verpflichten werde. Dies, so Baring, „gefährdet die Lebensfähigkeit unseres Landes.“

Für die Vielzahl der vorgestellten Lösungsansätze können hier stellvertretend nur einige genannt werden: So entwirft der Europarechtler Martin Seidel die Rahmenbedingungen für einen Euro-Austritt Athens, der „eine freie Entscheidung Griechenlands“ sei. Der Ökonom Wolf Schäfer erläutert in seinem Plädoyer zur Gesundschrumpfung der Euro-Zone, warum das Schlagwort „mehr Europa“ falsch ist und wie Griechenland die Rückkehr zur Drachme bewerkstelligen könne – als Modellprojekt für weitere Euro-Krisenländer.

Für den Volkswirtschaftler Bernd Lucke entsprechen die „Rettungsschirme“ EFSF und ESM dem Modell militärischer Abschreckung mit einer Superwaffe. Da eine solche aber nie zum Einsatz kommen soll, offenbare sich bereits hier die fehlende Logik der praktizierten Kredithilfen. Auch basierten diese auf einer Fehleinschätzung, da den hilfsbedürftigen Staaten unterstellt wird, lediglich temporär illiquide, aber nicht insolvent zu sein. Für Deutschland sei dies „ein sehr bedrohliches Szenarium“, da als Mittel zur Refinanzierung nur höhere Steuern, höhere Verschuldung oder Inflation zur Verfügung stünden. Aus wahlpolitischem Kalkül werde sich die Regierung wohl für letzteres entscheiden. Die folgende Inflationsbekämpfung führe „typischerweise zu einem starken und persistenten Anstieg der Arbeitslosigkeit“. Die Alternative zur Rettungsschirmpolitik sieht Lucke in einer gezielten Bankenrekapitalisierung. Getroffen würden dabei lediglich Finanzinvestoren und private Gläubiger.

Hans-Olaf Henkel beantwortet die Frage, „Welches Europa wollen wir?“: „Die Vielfalt in Europa ist seine Stärke“, sagt der einstige BDI-Chef. Den ESM sieht er als ein „veritables finanzielles Ermächtigungsgesetz“. Der Herausgeber Dirk Meyer präsentiert indes das Konzept nationaler Parallelwährungen, die einen Ausweg aus der Euro-Krise weisen sollen. Hieran anschließend sieht das Autorengespann Frank Schäffler (FDP) und Norbert Tofall die Überwindung der Krise in einem allumfassenden Wettbewerb von Privatwährungen gegen das staatliche Papiergeldmonopol.

Einen Blick in die Zukunft wagt der Finanzwissenschaftler Charles Blankart mit einem vernichtenden Vergleich zu dem Schicksal des Schweizers Johann August Sutter, dessen blühende Farm im kalifornischen Sacramento-Tal zum Opfer der Goldgräber wurde, die wiederum heute – in Form von Schuldnerstaaten – das Euro-Land bedrohten.

Dirk Meyer (Hrsg.): Die Zukunft der Währungsunion – Chancen und Risiken des Euro. Lit Verlag, Berlin 2012, broschiert, 312 Seiten, 29,90 Euro

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