© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

Grüne Zertifikate
Emissionsrechtehandel: Ein scheinbar marktwirtschaftliches Verfahren soll den CO2-Ausstoß verringern
Klaus Peter Krause

Die 18. UN-Klimakonferenz in Doha stand kurz vor ihrem Scheitern. Aber die etwa 20.000 Politiker, Journalisten und Lobbyisten durften nicht vergeblich in das Öl-Emirat geflogen sein. Deshalb wurde beschlossen, daß 37 der 193 Signatarstaaten des Kyoto-Protokolls ihre Kohlendioxid-Emissionen bis 2020 weiter verringern. Allerdings fällt dieser „Club der Energiewende-Staaten“ (Umweltminister Peter Altmaier) mit seinem CO2-Ausstoß global nicht ins Gewicht. Dabei handelt es sich um die 27 EU-Staaten, Australien und ein paar weitere Länder. Aber sie zusammen tragen zu den CO2-Emissionen nur elf bis 13 Prozent bei. Die großen CO2-Emittenten USA und China haben schon Kyoto I nicht ratifiziert. Rußland, Kanada, Japan und Neuseeland haben sich aus der sogenannten Kyoto-II-Verpflichtung verabschiedet.

Ursprünglicher Kern der Klimakonferenzen ist die These, das Klima der Erde gegen „anthropogenes“ (durch Menschen verursachtes) CO2 schützen zu müssen und zu können, weil es das Klima als wichtigstes „Treibhausgas“ gefährlich erwärme. Das vorgebliche Ziel ist daher, die Erwärmung des globalen Klimas auf maximal zwei Grad bis 2100 zu begrenzen. Die finanzielle Last dieses „Klimaschutzes“ müssen vor allem die Industriestaaten tragen. Deutschland will laut CDU-Minister Altmaier 2013 1,8 Milliarden Euro für Klimaschutz in Entwicklungsländern bereitstellen.

Um sicherzustellen, daß die festgesetzten CO2-Emissionen nicht überschritten werden, werden für diese Mengen Emissionsrechte vergeben. Damit soll bezweckt werden, daß die Emittenten für das Recht einen Preis zahlen und mit den Einnahmen staatliche Schatullen zusätzlich zu füllen. Festsetzen kann man den „CO2-Preis“ durch politische Entscheidung. Besser geschieht das an einem Markt, zum Beispiel durch Versteigern der CO2-Rechte. Dann können die Emittenten selbst entscheiden, was ihnen das Emissionsrecht wert ist. Der Preis wäre so immerhin ein Marktpreis.

Allerdings kein lupenreiner, denn das Angebot ist künstlich verknappt: Für welche Menge die Rechte wem angeboten werden, bestimmen staatliche Stellen – dem Lobbyismus sind Tür und Tor geöffnet. So beeinflußt der Staat auch den Preis. Er ist daher ein staatlicher Lenkungspreis, Ergebnis einer staatlichen Intervention. Der Ökonom Hans-Werner Sinn nennt das einen „partiellen Ersatz der Marktsteuerung durch eine zentralplanerische Mengensteuerung“.

Wer die Emissionsrechte erworben hat, aber die ihm damit erlaubte Ausstoßmenge unterschreitet (etwa durch Rationalisierung oder neue Technik), darf die überzähligen CO2-Rechte veräußern. Erstmalig ausgegeben werden die Rechte auf CO2-Ausstoß als Emissionszertifikate. Das macht sie handelbar, man kann Rechtebörsen einrichten wie die Leipziger Energiebörse EEX. Der Emissionshandel soll Anreize geben, in CO2-sparende Technik zu investieren.

Kein Nettoeffekt für Europa und die Welt

Dies geschieht, beschränkt aber bisher auf die Industriestaaten und auf die großen emittierenden Unternehmen dort. Das globale CO2-Handelssystem „läßt jeglichen Effekt der deutschen Förderung grünen Stroms verpuffen, weil das, was wir an fossiler Energie einsparen, statt dessen anderswo konsumiert wird“, kostatiert Ifo-Präsident Sinn in seinem Buch „Das grüne Paradoxon“ (JF 12/12). „Der Nettoeffekt ist für Europa und die Welt null Komma null.“ Zudem wäre das Verfahren auch nur dann vernünftig, wenn die Kosten der befohlenen CO2-Verringerung nicht höher sind als das, was zusätzlicher CO2-Ausstoß tatsächlich an Schaden verursacht.

Mit Zertifikaten gehandelt wird unter Staaten und zwischen Unternehmen (privater Handel). Der Emissionshandel zwischen Staaten findet seit 2008 statt. Teilnehmer sind jene Länder, die sich im Kyoto-Protokoll zu einer Emissionsobergrenze verpflichtet haben. Das europäische Handelssystem ist seitdem in den internationalen Emissionshandel integriert, denn die EU hat den privaten Handel schon 2005 eingeführt. Grundlage ist die Emissionshandelsrichtlinie (EHRL) von 2003. EU-Unternehmen können zusätzliche Emissionsrechte im Ausland kaufen. Ferner gibt es die EG-Registerverordnung als Grundlage für ein einheitliches Registersystem mit Vorgaben für die nationalen Emissionshandelsregister und mit Regelungen über Berichtspflichten, Kontenarten, Transaktionswege und Sicherheitsaspekte. Mit dem Register soll letztlich kontrolliert werden, ob die EU-Staaten und dort die Firmen die Vorgaben zum geringeren CO2-Ausstoß einhalten.

Bisher sind die den Unternehmen staatlich zugeteilten Emissionsrechte unentgeltlich. Ein „Bedarf“ darüber hinaus kostet – Versteigerungen finden in Deutschland seit 2010 statt. Auf ihnen bietet der Staat jährlich rund 41 Millionen Emissionsberechtigungen an, und zwar wöchentlich an der EEX. Die Zertifikate für die Stromerzeugung sollen von 2013 an sämtlich versteigert werden. Die dabei entstehenden Kosten werden auf den Strompreis umgelegt. Für energieintensive Branchen gibt es Strompreisbeihilfen – Kostenpunkt 350 Millionen Euro. Die Industrie selbst muß zunächst nur 20 Prozent ihrer Emissionsrechte ersteigern. Bis 2027 soll ihr Anteil auf 100 Prozent steigen – mit Ausnahmen für Branchen, die in starkem internationalen Wettbewerb stehen. Die Emissionsberechtigung für CO2 ausstoßende Anlagen in Deutschland teilt als staatliche Behörde die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt (UBA) zu.

Wie das mit bürokratischer Gründlichkeit geschieht, kann man auf der Internetseite der Behörde nachlesen – und dann ahnen, was das in der Praxis für den betrieblichen Ablauf und Aufwand bedeutet. Der Essener Wirtschaftsprüfer Klaus Weber sieht bei dem System ein gewaltiges Interessenten-Kartell am Werk: „Der CO2-Zertifikatehandel ist ausschließlich ein Bereicherungssystem für die big player der Finanzwirtschaft – sowie ein von der Politik erhofftes Steuer-Generierungsmodell.“

Infobroschüre des Umweltbundesamtes: www.dehst.de

 

Staatliche Strompreisbeihilfen

Da von 2013 an die Kosten des CO2-Emissionshandels von den Energieerzeugern auf den Strompreis umgelegt werden, sollen energieintensive Industrien staatliche Beihilfen erhalten. „Mit der Strompreiskompensation wollen wir die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie stärken und Arbeitsplätze in Deutschland erhalten“, erklärte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) anläßlich der Vorstellung der neuen „Richtlinie zur Kompensation von indirekten CO2-Kosten“. Die betroffenen Sektoren der Stahl-, Chemie-, Papier- oder Nichteisenmetallbranche hätten „maßgeblich zur Stabilität der deutschen Wirtschaft in der Euro-Krise beigetragen und sind ein wichtiger Bestandteil zukunftsweisender Wertschöpfungsketten“. Die Firmen sollen eine Beihilfe in Höhe von 85 Prozent ihrer CO2-handelsbedingten Stromkosten erhalten. Bis 2020 soll der Ausgleich auf 75 Prozent fallen. Die Kosten werden auf voraussichtlich 350 Millionen Euro jährlich geschätzt.

Richtlinie zur Strompreiskompensation: www.bmwi.de

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