© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

Suche nach dem starken Mann
Parlamentswahl in Japan: Rechtsruck und schwierige Regierungsbildung erwartet
Albrecht Rothacher

Alles deutet darauf hin, daß die vor drei Jahren gewählten Demokraten Japans (DPJ), eine Sammlungspartei der linken Mitte, eine deutliche Abfuhr bei der Wahl am 16. Dezember erhält. Sie verschliß drei Premierminister und rieb sich in Streitereien mit der mächtigen Ministerialbürokratie, dem Unternehmerverband, den USA über Stationierungsfragen in Okinawa und mit Peking über die Sentaku-Inseln auf. Dazu hatte die DPJ das Blaue vom Himmel versprochen: Sozialleistungen hoch und Steuern runter. So gut wie nichts wurde gehalten.

Stattdessen sah sich die DPJ angesichts katastrophaler Staatsfinanzen gezwungen, die Verbrauchssteuern auf zehn Prozent zu verdoppeln. Der Bruch auch dieses Wahlversprechens führte dazu, daß Abgeordnete scharenweise die Partei verließen und Premier Noda die Unterhausmehrheit verlor.

Alles sah also nach einer Rückkehr der eher konservativen Liberaldemokraten (LDP) an die Macht aus, die sie in Japan seit 1945 fast ununterbrochen ausgeübt hatten. Sie erkor Shinzo Abe (58) zu ihrem neuen Vorsitzenden, der 2006 bereits einmal Premier gewesen war und obwohl glühender Patriot, sich als erfolglos und überlastet herausstellte, sodaß er nach zwölf Monaten im Amt mit Magengeschwüren zurücktrat.

Je stärker Abe sich nun profilierte, desto stärker wurde die Erinnerung an die Schlußphase der LDP-Herrschaft wach, als der mit der Bauwirtschaft liierten Partei, im Zuge der Stagnationskrise immer nur neue schuldenfinanzierte Ausgabenprogramme eingefallen waren.

So sind zwei Neuparteien im Aufwind, eine rechts- und eine linksgestrickt. Nach der LDP liegt die Nippon Ishin no Kai, die Versammlung zur Erneuerung Japans, an zweiter Stelle in der Wählergunst. Sie ist das Bündnis zweier Persönlichkeiten. Da ist der jungdynamische Bürgermeister von Osaka, der Anwalt Toru Hashimoto (43), der das zentralistische Japan durch die Revitalisierung der Regionen zu alter Größe führen will, und da ist Shintaro Ishihara (80), Bürgermeister von Tokio, Rechtsintellektueller, erfolgreicher Romanautor, dem nichts mehr Freude zu machen scheint, als den aggressiven chinesischen Hegemon durch Interviews und andere gezielte Provokationen bis zur Weißglut zu reizen. Das ungleiche Paar ragt aus der Konformität der Parteienlandschaft deutlich heraus, ist bei der verbreiteten Sehnsucht nach einem starken Mann enorm populär.

Auf der Linken hat die Gouverneurin Yukiko Kada (62) die Zukunftspartei gegründet. Sie will Japan, das bislang 30 Prozent seiner Elektrizität aus Atomstrom bezog, innerhalb von zehn Jahren atomfrei machen. Was ein großes Echo hervorrief. Doch deren demoskopischer Höhenflug wurde jäh gebremst, als Kada sich mit Ichiro Ozawa verbündete. Der 70jährige gilt als der große Zerstörer der japanischen Parteienlandschaft. Er hat die größte Fraktion der LDP gespalten, ging zur DPJ, zerstritt sich mit Premier Noda, spaltete sich erneut ab, und verbindet sich nun mit den Linksgrünen.

Japans Wähler werden wohl mehrheitlich für die LDP und Ishin no Kai stimmen. Ob aber Ishin no Kai koalitionsfähig sein wird, ist unklar. Wahrscheinlicher ist, daß es zu einer Koalition aus LDP, Resten der DPJ und dem buddhistischen Komeito kommen wird. Ob Shinzo Abe dabei Premier wird, ist gleichfalls noch unklar. Viele Parteifreunde sind mit seinem Wahlkampf unzufrieden und schärfen bereits ihre Samurai-Schwerter zum Königsmord. Nur eines scheint klar: die sprichwörtliche Führungsschwäche des politischen Japans wird sich fortsetzen.

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