© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

Die Leichtigkeit ist längst dahin
Italien: Montis Rücktritt und Berlusconis erneute Kandidatur zeigen ein Land im Fieber
Paola Bernardi

Ausgerechnet am vorweihnachtlichen Festtag „Mariä Empfängnis“ sorgte in Italien die Nachricht des angekündigten Rücktritts von Ministerpräsident Mario Monti für Schlagzeilen. Gleichzeitig gab der vor einem Jahr auf Druck der EU zurückgetretene Ministerpräsident Silvio Berlusconi seine Kandidatur bekannt und erklärte kämpferisch: „Ich werde das Land nicht den Linken überlassen.“

Mit seinem Schritt reagierte Mario Monti auf den Umstand, daß Berlusconis Partei PDL ihm sowohl im Senat wie auch im Abgeordnetenhaus die Unterstützung entzogen hatte. Die PDL ist nur noch bereit, das Haushaltsgesetz 2013 mit zu verabschieden. Bisher waren alle Gesetze automatisch in einer quasi großen Koalition zwischen Rechten und Linken durchgewunken worden. „Ich lasse mich weder durchlöchern noch verschleißen“, so Monti über seinen Rücktritt.

Während vor allem die internationalen Beobachter „Super-Mario“ als den Retter Italiens feiern, sieht die Wirklichkeit im Lande anders aus. Italien durchlebt ein wahres Säurebad. Um notwendige Reformen durchzupeitschen, wurden die Steuern erhöht, Renten gekürzt, neue Steuern auf Immobilien erhoben.

Das Land leidet, die Wirtschaft stagniert, und jeder dritte Italiener unter 25 Jahren ist arbeitslos. Die Arbeitslosenquote liegt auf dem höchsten Niveau seit den achtziger Jahren. Gleichzeitig wächst die Schattenwirtschaft, die nur mit Barzahlung funktioniert. Und die Staatsverschuldung stieg in diesem Jahr auf mehr als 123 Prozent. Fast täglich finden Demonstrationen statt.

An dem ersten großen „No-Monti-Day“ in Rom beteiligten sich Zehntausende von Ultralinken gemeinsam mit empörten Bürgern. Sie warfen der Regierung vor Handlangerin der internationalen Hochfinanz zu sein und skandierten: „Nein dem Eurodiktat.“

Monti selber verteidigt seinen Kurs: „Das Rezept der Reformen ist bitter, aber gut für das Land, vor allem aber dient es dem Wachstum Europas“, so der Ministerpräsident. Aus seiner jüngsten Bemerkung, „man dürfe den ‘Schatz’ nicht verscherbeln“, schließen nun Kenner der Politszene, daß sich Monti eventuell selber als Kandidat zur nächsten Wahl aufstellen läßt. Er hofft auf ein Bündnis der Gemäßigten. Durch seinen vorgezogenen Rücktritt könnten Wahlen bereits im Februar 2013 stattfinden.

Der mögliche Eintritt Montis in die Politik sowie Berlusconis Selbstkür sorgen für erhebliche Turbulenzen im bisherigen Parteiengefüge Italiens. Die postkommunistische Demokratische Partei (PD) unter Pier Luigi Bersani schien bis vor kurzem, Umfragen zufolge, mit 45 Prozent wie der sichere Sieger.

Doch ein PD-Durchmarsch steht nun in den Sternen. Ebenso wie ein erneuter Triumph Berlusconis. Das Problem des 76jährigen sind jedoch nicht dessen erstinstanzliche Verurteilung wegen Steuerbetrugs, nicht die hämischen ausländischen Kommentare, die Berlusconi als „Teil des Problems“ und nicht als dessen „Lösung“ (Neue Zürcher Zeitung) sehen, sondern schlechte Umfragewerte der PDL. Gemeinsam mit der Lega Nord käme sie derzeit nur auf 20 Prozent und läge somit noch hinter der Protestbewegung des Komikers Beppe Grillo.

Foto: Monti (u.) und Berlusconi vereint beim Karneval in Viareggio: Der große Blutsauger und sein kleiner Gehilfe bei der alltäglichen Arbeit

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