© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

„Wir werden unterschätzt“
Nach den mutmaßlichen NSU-Morden soll nun die rechtsextreme NPD verboten werden. Was sagen die Beschuldigten selbst dazu? Die JF konfrontiert Parteichef Holger Apfel mit den Vorwürfen.
Moritz Schwarz

Herr Apfel, warum haben Sie nicht Ihren terroristischen Arm, den „Nationalsozialistischen Untergrund“, zurückgepfiffen? Als Quittung haben Sie ein Verbotsverfahren zu gewärtigen.

Apfel: Unsinn: Innenminister Friedrich, BKA-Chef Ziercke und Generalbundesanwalt Range mußten doch längst einräumen, daß es keinen Zusammenhang zwischen der NPD und dem NSU gibt.

Immerhin gehört der ehemalige stellvertretende NPD-Landeschef von Thüringen Ralf Wohlleben mutmaßlich zu den Unterstützern des NSU.

Apfel: Zum einen ist Herr Wohlleben seit 2009 kein Mitglied mehr, zum anderen gilt nach meinem rechtsstaatlichen Verständnis aber auch für ihn die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils.

Was, wenn sich seine Schuld doch erweist?

Apfel: Dann gehört er natürlich bestraft. Dafür kann man aber nicht die Partei in Haftung nehmen. Der frühere Verfassungsrichter Jentsch wies etwa zu Recht darauf hin, daß Einzeltäter nicht als Beweis für angeblich strukturelle Gewalt taugen. Tatsache ist: Die NPD hat Gewalt und Terrorismus zur Durchsetzung ihrer Ziele stets konsequent abgelehnt.

Allerdings hat es offenbar mehrfach offen geäußerte „klammheimliche Freude“ über die mutmaßlichen NSU-Morde in der Partei gegeben.

Apfel: Es gibt keine klammheimliche Freude – allein schon deshalb nicht, weil nicht die einzelnen Ausländer unsere Gegner sind. Ihnen kann man ja gar nicht zum Vorwurf machen, daß sie die gesellschaftliche Situation auszunutzen versuchen. Unser Gegner sind die Profiteure der Überfremdung – ihnen gehört das Handwerk gelegt, natürlich auf rechtstreuem Wege. In einem bedauerlichen Einzelfall allerdings haben wir sofort gehandelt. Ein Funktionär wurde wegen eines verharmlosenden Kommentars ausgeschlossen. Ähnlich konsequentes Verhalten sucht man auf „linker“ Seite vergebens. Fakt ist: Die NPD hat die Anschläge von Anbeginn entschieden verurteilt, ohne beurteilen zu können, von wem sie tatsächlich verübt wurden. Es war in jedem Fall Mord.

Niedersachsens Innenminister Schünemann etwa bringt den Verbotsantrag gar nicht erst in Zusammenhang mit dem NSU, sondern begründet den Vorstoß mit der „neonazistischen“ und „verfassungsfeindlichen“ Gesinnung Ihrer Partei. Da allerdings hat der Mann doch recht!

Apfel: Im Gegenteil, die NPD steht fest auf dem Boden des Grundgesetzes und bekennt sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Moment, Ihr Vorgänger im Amt des Parteichefs, Udo Voigt, sprach davon, das „illegitime System“ der „BRD abwickeln“ zu wollen – also auch das Grundgesetz.

Apfel: Udo Voigt wird gerne aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. Tatsächlich hat er immer wieder deutlich gemacht, daß sich unser Volk gemäß Grundgesetzauftrag, Artikel 146, eine vom Volk zu verabschiedende Verfassung geben solle, schließlich war das Grundgesetz von seinen Vätern nur als Provisorium gedacht.

Herr Apfel, aus Ihrer Zeit als Vorsitzender der NPD-Jugendorganisation stammen doch solche Losungen wie: „Das System hat keine Fehler, es ist der Fehler.“

Apfel: Das bezieht sich nicht auf das Grundgesetz, sondern auf das liberal-kapitalistische System, das ja auch von anderen sozial engagierten Kräften kritisiert wird. Außerdem sei auf Hans Herbert von Arnim verwiesen, der zu Recht kritisiert, daß die Parteien sich den Staat zunehmend zur Beute machen. Im übrigen: Wenn wir uns die Politik im Bundestag anschauen – Überfremdung, Kriegseinsätze, Aushöhlung des Schutzes von Ehe und Familie oder die Aufgabe nationalstaatlicher Souveränität im Zuge der ESM-Gesetzgebung – dann habe ich den Eindruck, daß die NPD heute die Partei ist, die sich von allen am ehesten dem Grundgesetz verpflichtet fühlt.

Bevor es zu einer Verschärfung der Auflagen bei NPD-Demonstrationen kam, konnte man dort auf Transparenten auch Losungen wie „Sozialismus ist braun“ lesen.

Apfel: Das waren keine NPD-Transparente. Bei den vereinzelt von Teilnehmern mitgeführten Losungen dürfte es sich um eine ironisch gemeinte Umkehrung vor dem Hintergrund der politischen Stigmatisierung des nationalen Lagers gehandelt haben.

Ironie? Mir scheint „Sozialismus ist braun“ eine ziemlich eindeutige Aussage zu sein.

Apfel: Engagierte junge Menschen neigen zu Zuspitzungen. Ich kann mit dieser Terminologie nichts anfangen – zumal ich auch glaube, daß der Sozialismus-Begriff verbrannt ist.

In Ihren Publikationen stößt man aber auch immer wieder auf Reminiszenzen an die Epoche des Nationalsozialismus, man denke an Artikel aus dem Sortiment Ihres Parteiverlages.

Apfel: Der Nationalsozialismus ist eine historisch abgeschlossene Epoche. Wir wollen keine Schlachten von gestern schlagen, sondern die Zukunft gestalten. Wir meinen aber, daß man auch die Zeit des Nationalsozialismus differenziert betrachten können muß und lehnen zudem den ritualisierten Schuld- und Sühnekult, die einseitige Unkultur der Vergangenheitsbewältigung ab.

Und wie verhält es sich da mit den Aussagen Ihres Vorgängers? In einem Interview mit dieser Zeitung 2004 erklärte er, Adolf Hitler sei für ihn ein „großer Staatsmann“ – ein Bekenntnis, das damals für großes Aufsehen sorgte.

Apfel: Sie spielen auf Udo Voigts Aussage über Hitler als großen Staatsmann an – ich darf darauf verweisen, daß selbst der frühere FAZ-Herausgeber Joachim C. Fest der Meinung war, daß Hitler angesichts seiner zuvor errungenen Erfolge wohl in die Geschichte als großer Staatsmann eingegangen wäre, wenn er 1939 ermordet worden wäre. Nach Abdruck des Interviews wurde selektiv zitiert, denn Voigt wies folgend auf Hitlers Verantwortung für die deutsche Niederlage hin – und darauf, daß der Nationalsozialismus imperialistisch gewesen sei, man denke an die Unterdrückung der slawischen Völker oder an die Judenverfolgung und die Ausschaltung sämtlicher oppositioneller Kräfte, statt sie in die Volksgemeinschaft mit einzubinden. Voigt hatte recht, wenn er davon sprach, daß der Nationalsozialismus für die NPD nicht maßgebend sei.

Mit Übernahme des Parteivorsitzes haben Sie den Kurs der „seriösen Radikalität“ vorgegeben. Was ist darunter zu verstehen?

Apfel: Ich stehe für einen gegenwartsbezogenen und zukunftszugewandten Politikstil. Wenn wir uns in der Mitte des Volkes etablieren wollen, dürfen wir uns nicht mit bürgerschreckähnlichem Auftreten isolieren. Wir müssen unser Image als Kümmererpartei schärfen – das war und ist das Erfolgsrezept in Mitteldeutschland. Ich möchte eine NPD, die bürgernah ist und dabei die gesellschaftlichen Probleme der Gegenwart durchaus scharf und pointiert aufgreift.

Sie verfolgen dieses Konzept gemeinsam mit Ihrem Parteivize Udo Pastörs – ausgerechnet jenem Polterer, von dem Ausfälle gegen die „Judenrepublik“ oder die „Demokröten von der Knesset an der Spree“ stammen. Wer soll Ihnen da Seriosität, Demokratiebekenntnis und Abstand zu Nationalsozialismus und Antisemitismus abnehmen, Herr Apfel?

Apfel: Ich würde meine Kritik am Einfluß der Israel-Lobby nicht so formulieren. Udo Pastörs liebt die Zuspitzung im politischen Diskurs. Ich denke, daß wir uns in unserer Arbeit, bei der manchmal Säbel, manchmal Florett angesagt ist, gut ergänzen – nicht zuletzt deshalb, weil er den mir am Herzen liegenden Aspekt der Bürgernähe tagtäglich praktiziert.

Bei der „Judenrepublik“-Rede hat man aber nicht den Eindruck von Volkstümlichkeit, sondern eher, daß Udo Pastörs seinem Antisemitismus mal ordentlich Luft macht.

Apfel: Ich denke, Sie sollten seine Arbeit im ganzen bewerten. Udo Pastörs ist sehr populär. Er geht offen auf die Bürger zu und spricht Klartext zu den Themen, die den Menschen auf den Nägeln brennen. Anders lassen sich wohl auch kaum die sechs Prozent, mit denen er die NPD wieder ins Schweriner Schloß geführt hat, erklären.

Mit welchem Ausgang rechnen Sie für das kommende Verbotsverfahren?

Apfel: Eine Partei, die auf dem Boden des Grundgesetzes steht und nichts Verbotenes tut, kann nach rechtsstaatlichen Maßstäben nicht verboten werden. Ich rechne daher fest mit einer Ablehnung des Antrags.

Was, wenn nicht?

Apfel: Dann werden wir natürlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg anrufen – das gilt übrigens auch, wenn Karlsruhe unseren eigenen Antrag auf Feststellung der Verfassungskonformität nicht zuläßt.

Die „Rechtsextremismus-Expertin“ der Uni Bielefeld Claudia Luzar weist darauf hin, daß Deutschland Spitzenreiter im Verbieten rechtsextremer Organisationen ist; daß dies aber jedesmal mit einer „Erneuerung“ und „Professionalisierung der Szene“ endet. Angeblich gibt es schon Pläne für die Nachfolgepartei „Die Rechte“, wie einige Medien berichten.

Apfel: „Die Rechte“ ist kein „Plan B“, sondern die Phantompartei eines verbitterten Mannes, der bis zuletzt unsere Parteien-Fusion mit der DVU verhindern wollte. Kein Wunder, daß die Medien so was dankbar protegieren, um Unruhe zu schüren. Ich bezweifle, daß eine Partei, die sich programmatisch als angeblich bürgerliche Alternative zur NPD versteht – sich personell aber vor allem aus dem Spektrum derer speist, denen die NPD zu „lasch“ ist, übrigens angeführt vom früheren Stellvertreter Michael Kühnens – je eine ernsthafte politische Alternative sein wird.

Ein Verbotsverfahren ist vielleicht das Beste, was Ihnen passieren kann, denn im Grunde steht Ihre Partei mangels Wahlerfolgen vor dem politischen Verdämmern. Der Verbotsantrag bläst Ihnen im Wahljahr 2013 doch erst so richtig Wind in die Segel.

Apfel: Die NPD wird oft unterschätzt. Richtig ist, daß wir bereits durch die Debatten während des ersten Verbotsverfahrens unsere öffentliche Wahrnehmung deutlich steigern konnten. Alle, die den Etablierten mal gehörig den Marsch blasen wollten, wußten auf einen Schlag, mit welcher Alternative sie das am besten tun können.

2003 scheiterte das erste Verbotsverfahren, 2004 fuhr die NPD dann in Sachsen ihren legendären Wahlsieg ein.

Apfel: So ist es. Wir werden deshalb auch 2013 diese Karte spielen und deutlich machen, daß „verbotene Früchte“ am besten schmecken.

Sowohl Innenbehörden wie auch die etablierte Politik attestieren Ihnen allerdings politische Marginalität. Landesinnenminster Schünemann etwa meint, daß mit einem Verbot der NPD „der Rechtsextremismus nicht bekämpft wird“ – im Klartext: Sie spielen eigentlich keine Rolle.

Apfel: Natürlich schaden uns die Kriminalisierungsversuche. Die Ausdauer und Nervenstärke unserer Aktivisten, die der Stigmatisierung trotzen und sich nicht ins Hinterzimmer zurückziehen wie viele Konservative, ist aller Ehren wert. Natürlich, wir haben in Schleswig-Holstein und NRW – traditionell – schwach abgeschnitten. Kritiker gehen aber fehl, das knappe Scheitern in Thüringen und Sachsen-Anhalt als Zeichen des Niedergangs zu bewerten. 4,3 oder 4,6 Prozent, das ist – flankiert durch kommunalen Unterbau – eine gute Ausgangsgrundlage für die Zukunft. Unsere Gegner werden sich noch umschauen: Wir gehen zuversichtlich in die Wahlen 2013 und vor allem 2014. Die NPD wird ins Europaparlament einziehen und so wichtige Synergieeffekte für die Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen erzielen. Das Verbotsverfahren werden wir nutzen, um zu zeigen, daß es unseren Gegnern nicht in erster Linie um ein NPD-Verbot, sondern um die weitere Stigmatisierung der gesamten nationalen Opposition geht. Es geht um nicht weniger als um die Ausschaltung der Meinungs- und Gedankenfreiheit für alle national denkenden Menschen in unserem Land!

 

Holger Apfel, ist Bundesvorsitzender der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). In einer Kampfabstimmung gelang es dem Fraktionschef im sächsischen Landtag im November 2011, den langjährigen Parteivorsitzenden Udo Voigt abzulösen. Während Voigt für den radikaleren Kurs der älteren Parteikader stand, vertritt Apfel eine jüngere Generation in der Partei, die das öffentliche Bild der rechtsextremen NPD verbessern, mit ihrer Vergangenheitsfixierung Schluß machen und so neue bürgerliche Wählerschichten erreichen will. Geboren wurde Apfel 1970 in Hildesheim. Der gelernte Verlagskaufmann und Vater dreier Kinder war zunächst Vorsitzender der NPD-Jugendorganisation, später Landesvorsitzender in Sachsen, wo er 2004 in den Landtag einzog und die Fraktion führt. Die 1964 gegründete NPD hatte von Beginn an mit extremistischen Elementen zu kämpfen, war aber lange eine nationalkonservative Partei, erst in den neunziger Jahren radikalisierte sie sich umfassend.

Foto: Polizeipistole und Parteilogo – die Staatsmacht und die NPD: „Ich rechne fest mit einem Scheitern des Verbotsantrags“

 

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